Kenias Präsident Ruto auf Partnersuche in Berlin
26. März 2023Kenias Präsident William Ruto ist knapp sieben Monate im Amt, und es zeichnet sich ein neuer politischen Kurs ab: Der Präsident sucht die Nähe zu starken Wirtschaftsnationen - und zwar im Westen. So werden sich bei Rutos Besuch Anfang nächster Woche in Berlin die Gespräche um künftige Investitionen und Marktchancen für den wichtigsten Handelspartner Deutschlands in Ostafrika drehen.
Energiewende steht im Fokus
Mit Deutschland verbindet Kenia neben langjährigen Handelsbeziehungen auch ein gemeinsamer Fokus auf den Ausbau erneuerbarer Energien. Somit steht die Energiewende für beide Länder an zentraler Stelle des Besuchs von Ruto in der Bundeshauptstadt: Am Montag wird er zunächst von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit militärischen Ehren empfangen; danach ist ein Besuch beim "Kenyan Business Forum" im Haus der Deutschen Wirtschaft geplant.
Tags darauf wird der Präsident direkt nach Bundesaußenministerin Annalena Baerbock auf dem 9. Berliner Energy Transition Dialogue (BETD) eine Rede halten. In Gesprächen mit mehr als 30 deutschen Unternehmen soll es um Investitionen in Kenia gehen.
Der kenianische Markt ist für Investoren attraktiv, denn das Land gilt als dynamischer Wirtschaftsmotor und Stabilitätsanker der Region: Für deutsche Unternehmen bleibt Kenia mit 260 Millionen Euro im Jahr 2022 ein zentraler Exportmarkt in Subsahara-Afrika.
Kenia ist als Partner gefragt
Laut Karoline Eickhoff, Wissenschaftlerin der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, steigt angesichts des "weltpolitischen Wettbewerbsklimas" das Interesse vieler Länder, strategisch mit Kenia zusammenzuarbeiten. "Diese Dynamik zeigt sich auch daran, dass sich in letzter Zeit Staatschefs aus aller Welt in Nairobi die Klinke in die Hand gegeben haben", sagt Eickhoff im DW-Interview.
Auf der kenianische Seite nehme der Wunsch nach vielfältigen Partnerschaften wieder zu, so Eickhoff. Das Land hatte sich in den vergangenen Jahren durch Kredite aus China mehr Rückenwind für große Infrastrukturprojekte - wie den Bau von Eisenbahnstrecken - verschafft.
Jetzt wolle Kenia seine Wirtschaft stärker diversifizieren, in erster Linie in den Bereichen der Landwirtschaft und Ernährungssicherung. "Kenia ist aktuell in einer wirtschaftlich prekären Lage und die Regierung hat nur noch begrenzte finanzielle Spielräume für eigene Investitionen und Programme", sagt Eickhoff zur DW. Entsprechend verwendet die Regierung gerade viel Energie darauf, Investoren ins Land zu holen, auch aus der Privatwirtschaft.
Hohe Staatsverschuldung - Investoren gesucht
Zusätzliche Mittel könne Ruto derzeit gut gebrauchen, denn die Regierung stehe innenpolitisch unter erheblichem Druck, fügt Eickhoff an.
"Wahlversprechen zum Wirtschaftswachstum und zur Schaffung von Arbeitsplätzen haben bisher zu keiner Verbesserung der Lebensbedingungen weiter Teile der Bevölkerung geführt." Die Staatsverschuldung sei hoch, die Lebenshaltungskosten enorm gestiegen, und im Norden des Landes herrsche Dürre und Lebensmittelknappheit.
Vor wenigen Monaten, Ende 2022, erhielt Kenia vom Internationalen Währungsfonds eine Finanzspritze in Höhe von 447,4 Millionen US-Dollar. Experten rechnen mit einer weiteren Abwertung des Kenia-Schilling im Vergleich zum US-Dollar und einer relativ hohen Inflation von über sechs Prozent. Die angehäufte Staatsverschuldung beträgt laut Weltbank fast 70 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP).
Die Sorge in der Bevölkerung steigt, noch vor wenigen Tagen gab es in den Straßen von Nairobi Proteste - als Anti- Inflationsdemonstrationen bezeichnet, zu denen Oppositionsführer Raila Odinga aufgerufen hatte. Er behauptet weiterhin, dass die Präsidentschaftswahlen vom 9. August 2022 "gestohlen" wurden und dass die Regierung von William Ruto "illegitim" sei. In den kommenden Wochen soll es regelmäßig weitere Kundgebungen geben.
Neuer Kurs: Wandel von "Ost nach West"
Präsident Rutos Reise nach Berlin, trotz sozialer Spannungen in seinem Land, könnte laut X. N. Iraki, Wirtschaftsprofessor an der Universität Nairobi, ein Zeichen der Stärke sein: "Er zeigt seinen politischen Gegnern, dass er alles unter Kontrolle hat, auch wenn er im Ausland weilt."
Durch seinen Besuch in Deutschland könnte sich für Kenia ein Weg in die wohlhabende Europäische Union mit Zugang zu Geschäften im Technologie- und Energiesektor öffnen. Auch Iraki beschreibt einen außenpolitischen Wandel Kenias von "Ost nach West": "Während seiner Wahlkampagnen 2022 hat der Präsident oft über China gesprochen, aber nicht sehr positiv", sagt Iraki.
Rutos Amtsvorgänger Uhuru Kenyatta hatte mit chinesischen Krediten große Infrastrukturprojekte wie die Eisenbahnstrecke Nairobi-Mombasa angestoßen. Doch die dafür erforderlichen Kredite bei chinesischen Entwicklungsbanken bringen Kenias öffentliche Hand in immer stärkere Bedrängnis; auch weil die Bahnstrecke weniger Umsatz im Güterverkehr erwirtschaftete als erhofft. Im Dezember machte Ruto zuvor geheime Unterlagen zur Bahnstrecke öffentlich, die für Kenia nachteilige Vertragsbedingungen offenlegen. Ruto selbst war zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses Vizepräsident.
Attraktiver Markt: Die grüne Energie
Neue Hoffnungen liegen eher im Bereich nachhaltiger Energie. Kenia bezieht seinen Strom hauptsächlich aus Wind-, Wasserkraft und Solarzellen sowie der Geothermie, die im Bereich des Ostafrikanischen Grabenbruchs reichlich vorhanden ist. Der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromversorgung des Landes liegt bereits bei über 90 Prozent und soll bis 2030 auf 100 Prozent erhöht werden.
Deutschland und Kenia schlossen dazu im Dezember 2022 am Rande der Weltklimakonferenz in Ägypten eine Klima- und Entwicklungspartnerschaft im Umfang von 112 Millionen Euro. Dabei geht es zu Beispiel um den Ausbau der Energiequellen, Projekte im Bereich der Elektro-Mobilität und - für die deutsche Industrie sicher besonders interessant: eine grüne Wasserstoffwirtschaft.
Auch Charles Wanguhu, Direktor der Nichtregierungs-Organisation "EI-Africa Energy" verspricht sich viel von deutschen Investitionen: "In diesem speziellen Bereich sind die westlichen Verbündeten für Kenia von entscheidender Bedeutung - als zukünftige Drehscheibe für grüne Produktion, die dem Land auch neue Wege der Wertschöpfung eröffnet", sagt Wanguhu der DW.
David Osiany arbeitete als Vize-Handelsminister in der Regierung von Rutos Vorgänger Uhuru Kenyatta. Er sieht in seinem Land große Fortschritte im Energiesektor: "Aber wir sind nur der Beste unter den Guten, also hoffen wir, der Beste unter den Besten zu sein", sagte er der DW. Daneben werde der Präsident bei seinem Besuch in Berlin auch besonderes Augenmerk auf das verarbeitende Gewerbe haben, das zur Steigerung der inländischen Wertschöpfung ausgebaut werden soll.
Das dürfte auch deutschen Unternehmen gefallen, von denen bereits rund 100 in Kenia aktiv sind. Die deutsche Wirtschaft stellt in diesen Tagen bereits eine Delegation für eine Keniareise im Mai mit Bundeskanzler Olaf Scholz zusammen.