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Kim Jong Un: Ein ausgezeichneter Diktator?

Esther Felden6. August 2015

Was haben Mahatma Gandi, Aung San Suu Kyi und Kim Il Sung gemeinsam? Alle bekamen den Friedenspreis der indonesischen Stiftung Sukarno. Preisträger in diesem Jahr: Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un. Wie kann das sein?

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Nordkorea Kim Jong Un
Bild: Reuters/KCNA

Der australische Richter Michael Kirby dürfte entsetzt gewesen sein, als er die Meldung in dieser Woche las: Der nordkoreanische Dikator Kim Jong Un soll für seinen "Kampf gegen neokolonialistischen Imperialismus" mit einem Friedenspreis ausgezeichnet werden. Im September will ihm die indonesische Stiftung Sukarno - benannt nach dem ersten Präsidenten des südostasiatischen Inselstaates - die Auszeichnung verleihen. Auch wenn es seit der Bekanntgabe international Kritik, Spott und Unverständnis hagelt.

Für Kirby ganz sicher eine unvorstellbare Wahl. Er nämlich war der Vorsitzende einer UN-Kommission, die im vergangenen Jahr einen mehrere hundert Seiten langen Bericht über Menschenrechtsverletzungen in Nordkorea herausgegeben hat. Und darin zu erschütternden Ergebnissen kam. Er habe nicht "mit der Niederträchtigkeit der nordkoreanischen Führung und dem Ausmaß des Leid vor allem im Zusammenhang mit den nordkoreanischen Straf- und Arbeitslagern gerechnet", so Kirby damals im DW-Interview. Nur ein Beispiel: "In einem Fall hat uns eine betroffene Frau geschildert, dass sie gezwungen wurde, ihr Baby kopfüber in einen Eimer mit Wasser zu halten, bis das Kind ertrunken war."

Nordkorea Militärübung Raketen
Regelmäßig provoziert Nordkorea seine Nachbarn und die USA mit RaketentestsBild: Reuters

Stiftung in Erklärungsnot? – Aber nicht doch …

Leid? Niederträchtigkeit? Auslöschung von politischen Gegnern oder Personen, die dem jungen Kim gefährlich werden könnten wie beispielsweise sein Ende 2013 hingerichteter Onkel und ehemaliger politischer Vertrauer Jang Song Thaek? Menschenrechtsverstöße im großen Stil - begangen im Namen der Führung? Davon will Rachmawati Sukarnoputri, die Leiterin der Stiftung Sukarno und Tochter des ersten indonesischen Präsidenten nichts wissen.

Die Vorwürfe seien "unwahr" und nichts weiter als "westliche Propaganda", sagte sie gegenüber der Nachrichtenagentur afp. Vielmehr sieht sie Parallelen zwischen dem jungen Kim und ihrem eigenen Vater, dem Anführer des indonesischen Unabhängigkeitskamfpes und ersten Präsidenten des Landes. Auch er sei einst beschuldigt worden, ein "teuflischer Diktator" zu sein, der die Menschenrechte verletzt habe. "Aber diese Anschuldigungen haben sich im Laufe der Zeit als falsch herausgestellt", ist sie überzeugt. Es sei im Westen gang und gäbe, jemanden zu brandmarken, der für seine Prinzipien einstehe - genau das tue Kim Jong Un, ebenso wie ihr Vater.

Einmal Kim, nochmal Kim – und vorher Gandhi

Traditionell sind sich Jakarta und Pjöngjang nicht fremd. Schon seit den 1950er Jahren unterhalten beide Länder bilaterale Beziehungen. Sukarno und der nordkoreanische Staatsgründer Kim Il Sung legten dafür den Grundstock. Zuletzt empfing der indonesische Präsident Joko Widodo eine Delegation aus Nordkorea. Das war im April 2014. Und auch der Friedenspreis der Stiftung Sukarno geht nicht zum ersten Mal an die Familie Kim: 2001 wurde Kim Il Sung mit der Auszeichnung geehrt. Posthum. Denn zu diesem Zeitpunkt war er schon sieben Jahre tot.

Neben den beiden Kims finden sich auch ganz andere Namen auf der Liste der Preisträger: Mahatma Gandhi und Aung San Suu Kyi. Zwei der international bekanntesten und weltweit geschätzten Vorkämpfer für Freiheit und Demokratie. Sie einem Atemzug mit Kim Il Sung und Kim Jong Il zu nennen, das findet auch ein Kommentator des Jakarta Globe befremdlich. Er schreibt in der indonesischen Tageszeitung: "Es ist nicht klar, wie auch immer Kim Jong Un zum Weltfrieden beigetragen hat oder auch nur im Entferntesten mit den beiden Ikonen vergleichbar ist." Vielmehr seien unter seiner "säbelrasselnden und angriffslustigen Führung" die ohnehin angespannten Beziehungen zu Südkorea, Japan und den Vereinigten Staaten erst richtig eingefroren.

UN Bericht Menschenrechte
Michael Kirby fordert die internationale Gemeinschaft auf, etwas gegen die Diktatur in Nordkorea zu unternehmenBild: Reuters

Drei Attribute für einen Diktator

Kim Jong Un werde für "Frieden, Gerechtigkeit und Menschlichkeit" ausgezeichnet. Das erklärt Rachmawati Sukarnoputri. Drei Begriffe, die Michael Kirby wohl als letztes mit Kim Jong Un in Verbindung bringen würde. "Ekel und Abscheu" vor der nordkoreanischen Führung habe er empfunden bei den Befragungen von mehreren hundert Zeugen, sagte er nach der Veröffentlichung des UN-Berichte zu Menschenrechtsverletzungen in Nordkorea. Denn die Geschichten, die er im Laufe der monatelangen Befragungen zu hören bekam, zeugen von schier unvorstellbarem Leid und Grausamkeit. Ein Überlebender habe beispielsweise über die Zustände in einem politischen Gefangenenlager berichtet. "Sein Job bestand darin, die ausgemergelten Körper verhungerter Häftlinge zu beseitigen. Doch dafür hatte er nicht die nötige Ausrüstung. Also hat er die Leichen in einem großen Bottich verbrannt." Die Asche und restliche Körperteile wurden auf den umliegenden Feldern als Düngemittel verwendet. "Er hat gesagt, es sei guter Dünger gewesen."