Kims kulinarische Botschaften
10. September 2015Der Weg nach Nordkorea führt über eine große Hauptstraße, gesäumt von zahllosen Motorradrikschas. Es ist spätabends, und die schwüle Hitze ist erdrückend. Aber das ist nicht Pjöngjang, sondern Phnom Penh, die kambodschanische Hauptstadt. Über einen kleinen Seiteneingang gelangt man von der Straße schließlich zum "Pjöngjang-Restaurant", einem der vielen kulinarischen Außenposten Nordkoreas. Verteilt über Asien gibt es hunderte "Pjöngjang"-Restaurants. Sie gewähren einen kleinen Einblick in das sonst so verschlossene Nordkorea.
Hundefleisch-Gulasch und Kohl in allen Variationen
Im Restaurant ist die Stimmung besonders ausgelassen: Südkoreanische und japanische Geschäftsmänner klatschen zum Takt der Darbietungen einer eigens aus Nordkorea eingeflogenen Gruppe von Tänzerinnen. Das Essenserlebnis wird von einem Kulturspektakel aus Tanz, Musik und Gesang ergänzt. Eine Duftmischung aus Bier und Kimchi, der koreanischen Kohlspezialität, durchdringt den gutbesuchten Saal.
Vom Tourismusministerium Nordkoreas handverlesene Köche und Kellnerinnen servieren hier original nordkoreanische Köstlichkeiten: Roher und gekochter Fisch, Hundefleisch-Gulasch, Nudeln à la Pjöngjang und Kohl in allen Variationen. Alles, wovon das nordkoreanische Volk sonst nur träumen kann. Viele Regionen Nordkoreas leiden chronisch unter Nahrungsknappheit - immer wieder drohen im Land Hungersnöte.
Devisenbeschaffung für das Regime in Pjöngjang
Die kulinarischen Botschaften dienen dem diktatorischen Regime der Volksrepublik in erster Linie zur Devisenbeschaffung, sagt Professor Sung-Yoon Lee, Nordkorea-Spezialist von der Tufts Universität in Boston: "Die nordkoreanischen Restaurants im Ausland sind ein Instrument der Staatspolitik, die darauf abzielt, zugunsten des Regimes und der politischen Elite Nordkoreas Einkommen über Unternehmen in Übersee zu generieren."
Das 1974 geschaffene "Büro 39" sei verantwortlich für all diese Aktivitäten, "inklusive Geldwäsche, Schmuggel, Verkauf von illegalen Substanzen und das Management von Kim Jong Uns Schwarzkassen in Europa, China und Südostasien", so Lee weiter. Die Restaurants seien allerdings im Vergleich dazu eine relativ neue und gutartige Form der Devisenbeschaffung, auch wenn das nordkoreanische Restaurantpersonal unter repressiven Bedingungen leben und arbeiten muss.
Personal unter ständiger Bewachung
Die Köche und Kellnerinnen der Restaurants werden vor ihrem Arbeitsantritt auf ihre ideologische Loyalität überprüft. Nach Feierabend wird die Dienerschar stets bewacht. "Sollten die Angestellten während ihrer Arbeit im Ausland durch ihr Verhalten aus der Reihe fallen, drohen ihnen und ihrer Familie in der Heimat harte Strafen", betont Sung-Yoon Lee.
Menschenrechtler wie John Sifton von Human Rights Watch in Asien kritisieren die Nordkorea-Restaurants scharf: "Wir wissen, dass in fast allen Fällen die Freiheitsbeschränkungen der Angestellten in diesen Einrichtungen der internationalen Definition von Menschenhandel entspricht."
Kundschaft als Informationsquelle
Ein Abendessen mit zwei Gängen und Getränken kostet schließlich pro Person um die sechzig US-Dollar. Kein Schnäppchen für die Verhältnisse in Phnom Penh, wo man in anderen Restaurants ein gleichwertiges Essen für weniger als ein Fünftel dieses Preises erhält. Aber das scheint die mehrheitlich südkoreanische Kundschaft nicht zu stören. Für sie zählt vor allem die Unterhaltung, so scheint es.
Und gerade das sei schließlich auch der Hauptauftrag der Angestellten, erklärt Sung-Yoon Lee: "Die Kellnerinnen werden darauf trainiert, ihre Kunden zu bezirzen, um sie möglichst in eine Unterhaltung zu verwickeln. Ich nehme an, dass die südkoreanischen Diplomaten und Geschäftsmänner gute Informationsquellen im Hinblick auf die politische Stimmung in Südkorea sind." Lee schließt auch nicht aus, dass die Restaurants verwanzt sind.
Auch Filialen in Europa
Wie viel Umsatz generiert Nordkorea schließlich mit seinen kulinarischen Botschaften? Unter zehn Millionen US-Dollar jährlich, schätzt Lee: "Das ist vergleichbar mit dem, was Nordkorea aus dem Tourismus einnimmt." Mit anderen Worten: Die Restaurants sind nicht die wichtigste Devisenquelle für das liquiditätsschwache Regime von Kim Jong Un. Aber sie sind dennoch wichtig genug, um sie weiter am Laufen zu halten - und um zu expandieren.
Auch auf dem europäischen Markt gibt es bereits die staatliche nordkoreanische Franchise-Kette: Im Jahr 2012 eröffnete das erste Pjöngjang-Restaurant in Amsterdam. Angeblich will Kim Jong-Un nun ein weiteres Restaurant in Schottland eröffnen.