Film
26. September 2006Eine weiße Wand im Hintergrund. Unter einem Glaskubus die Bronzebüste von Sigmund Freud. Ihm gegenüber steht das anatomische Modell eines Gipskopfes. Zwischen den beiden läuft eine Filmprojektion: Die ersten Bilder aus Ingmar Bergmans Werk "Persona". Freud selbst hielt nicht viel von der "Kinematografie" und ging auch nur selten ins Kino. Dass sowohl seine Psychoanalyse als auch der Film das 20. Jahrhundert massiv prägen würden, hätte er sich damals nicht träumen lassen.
Freud traute dem Film - anders als manche seiner Schüler - nicht zu, einen nennenswerten Beitrag zur Darstellung des Unbewussten zu leisten, erklärt Wolf Unterberger, Kurator der Ausstellung: "Kino im Kopf - Psychologie und Film seit Sigmund Freud": "Seine Begründung war, dass ein theoretisches Gebäude auf Begriffen basiere und ein Film überwiegend mit bewegten Bildern arbeite."
Hitchcock als Gegenbeispiel
Die Filmgeschichte belehrte den Wissenschaftler eines Besseren, wie die bis zum 7. Januar dauernde Ausstellung im Berliner Filmmuseum am Potsdamer Platz ausführlich dokumentiert. Dafür stehen Namen wie Alfred Hitchcock, David Lynch, Woody Allen, Luis Buñuel und Wim Wenders. Jüngstes Beispiel ist "Das weiße Rauschen" (2001) von Hans Weingartner mit Daniel Brühl.
Die Verfilmungen von Freuds Theorien sowie zahlreiche Dokumente aus seinem Nachlass, Briefe und Tagebücher dokumentieren die facettenreichen Beziehungen zwischen Kino und seelischem Befinden. In einem "Tränenkabinett" als "Testlabor" kann der Besucher feststellen, wie "nah am Wasser" er gebaut hat, wenn er bestimmte Filme sieht - zum Beispiel besonders rührselige Ausschnitte aus "Frühstück bei Tiffany" von Blake Edwards (1961).
Freuds weißes Rauschen
Aber auch über den Lebensweg von Sigmund Freud erfährt der Besucher der Ausstellung einiges: Seine nicht unproblematische Beziehung zu Drogen wie Kokain sind das Thema von "Rausch und Film": In den 60er Jahren rückte die bewusstseinserweiternde Wirkung von Drogen ins Zentrum der gesellschaftlichen Diskussion, vor allem bei der rebellischen Jugend. Als Filmbeispiele sind hier unter anderem "Easy Rider" von Dennis Hopper (1969) und "Fear and Loathing in Las Vegas" von Terry Gilliam (1998) zu sehen.
Daneben zeigt die Ausstellung schwarzweiße Fotoaufnahmen, die um die Jahrhundertwende an der Pariser Klinik Salpêtrière entstanden und erstmalig die Stadien eines Hysterieanfalls fotografisch dokumentieren. Sie brachten Freud vermutlich auch auf die Idee, dass die Auslöser für die seelischen Krankheiten aus dem Unbewussten rühren können. Aber im Gegenteil zu seinem Lehrer Charcot versuchte Freud sie nicht durch Medikamente oder Suggestion zu betäuben, sondern dem Patienten durch psychoanalytische Gespräche seine Traumatisierung bewusst zu machen, was zu einer lang anhaltenden Heilung führen sollte.
Couch-Probeliegen
Die Ausstellung im Filmmuseum soll jedoch keine Lernausstellung sein, wo man sich stundenlang mit den theoretischen Konstrukten befassen müsse, wie Wolf Unterberger betont. "Es geht darum, möglichst ein starkes Bild zu entwerfen, das man mitnehmen kann. Es geht eher um das Erlebnishafte in der Ausstellung."
Daher steht auch eine Couch zu Verfügung, auf die sich der Besucher legen und dabei aus Lautsprechern den Gesprächen zwischen Patienten und Analytikern lauschen kann. Freud, der Begründer der Psychoanalyse, wäre in diesem Jahr 150 Jahre alt geworden.