Kirchentag startet mitten in Vertrauenskrise
12. Mai 2010Unter dem Motto "Damit ihr Hoffnung habt" beginnt am Mittwoch (12.05.2010) auf der Münchener Theresienwiese der zweite Ökumenische Kirchentag. Überschattet wird die Veranstaltung von der Missbrauchsaffäre und der Vertrauenskrise vor allem in der katholischen Kirche. Die bekanntgewordenen Fälle von Gewalt und Missbrauch ließen die Zahl der Kirchenaustritten in den vergangenen Wochen massiv nach oben schnellen. Im Bistum Augsburg etwa, dessen Bischof Walter Mixa nach Vorwürfen der Gewalt gegen Kinder zurückgetrat, stieg die Zahl der Kirchenaustritte um zwei Drittel.
Köhler nimmt katholische Kirche in Schutz
Bundespräsident Horst Köhler mahnte die zwei großen christlichen Konfessionen in Deutschland unmittelbar vor dem Großereignis zu einer verstärkten Zusammenarbeit. In Bezug auf die Missbrauchsfälle warnte er, diese dürften nicht den Blick auf die Verdienste der katholischen Kirche verstellen. Sie lindere etwa in Afrika oder Lateinamerika viel Not, sagte er der Wochenzeitung "Rheinischer Merkur". Köhler wörtlich: "Wenn ich dann erlebe, wie die jetzige Diskussion die katholische Kirche generell in Misskredit bringt, der in keinem Verhältnis zu ihrer Bedeutung und Leistung steht, dann bedrückt mich das auch als Protestant."
Ein anderer protestantischer Politiker schaltete sich kurz vor dem Kirchentag in die Debatte um den Zölibat - die Ehelosigkeit für katholische Priester - ein: Bundesinnenminister Thomas de Maizière sagte der Wochenzeitung "Die Zeit": "Ich finde den Zölibat falsch." Mann und Frau gehörten zusammen, "auch als Pfarrer". Der Einwand, ein Priester werde durch eine Frau abgelenkt, habe ihn nie überzeugt.
Debatte um Abendmahl
Der amtierende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, beklagte das Fehlen eines gemeinsamen Abendmahls von Katholiken und Protestanten beim Ökumenischen Kirchentag. "Es schmerzt mich, dass sich im Moment keine schnellen Lösungen abzeichnen", schrieb Schneider in einem Gastbeitrag für das "Hamburger Abendblatt". Von evangelischer Seite stünde einem gemeinsamen Abendmahl nichts im Wege.
Kirchliche Reformgruppen riefen die Teilnehmer des Ökumenischen Kirchentags auf, trotz des Verbots auf katholischer Seite an gemeinsamen Abendmahlsfeiern teilzunehmen. In Anbetracht der Diskussion bezeichnete der evangelische Theologe Friedrich Schorlemmer den Kirchentag als "Etikettenschwindel". Der Vorsitzende des deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, sprach dagegen davon, dass der "Weg des Miteinanders" unumkehrbar sei.
Käßmann tritt wieder ins Rampenlicht
Mit Spannung wird der erste öffentliche Auftritt von Margot Käßmann nach ihrem Rücktritt als Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) erwartet: Knapp drei Monate nach ihrer Trunkenheitsfahrt durch Hannover tritt sie wieder ins Rampenlicht und präsentiert ihr neues Buch "Das große Du". An dem Kirchentag nehmen auch Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundespräsident Horst Köhler sowie zahlreiche Regierungsmitglieder teil. Die Kanzlerin wird am Donnerstag zu einer Podiumsdiskussion über den Zusammenhalt in der Gesellschaft erwartet.
Die Veranstalter rechnen mit einem Andrang von rund 110.000 Besuchern beim Kirchentag. Nach den Eröffnungsgottesdiensten steht am Mittwochabend in der Münchner Altstadt ein großes Straßenfest der Begegnung auf dem Programm.
Unter den insgesamt rund 3000 Veranstaltungen sind auch Popkonzerte mit den Wise Guys, Nena und Christina Stürmer, eine Bibelstunde mit Margot Käßmann und Kabarett mit Eckhard von Hirschhausen. Nachträglich aufgenommen in das Programm wurden Veranstaltungen zum Thema Missbrauch und Gewalt an Kindern und Jugendlichen. Mit einem Gottesdienst auf der Theresienwiese endet am Sonntag der Ökumenische Kirchentag.
Autor: Marcus Bölz (kna, epd, dpa)
Redaktion: Ursula Kissel