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Alles nur heiße Luft?

8. Februar 2022

Die Versprechen von Unternehmen sind teils groß: Klimaneutralität in wenigen Jahren. Leider sollte dem nicht immer Glauben geschenkt werden, so eine Analyse von Klimaexperten.

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Symbolfoto Sommerliche Temperaturen
Bild: Christoph Hardt/Geisler-Fotopress/picture alliance

Gemüse essen und Fahrrad fahren schützt zwar das Klima, ist aber nicht jedermanns Sache. Bequemer ist es doch Produkte zu kaufen von Unternehmen, die nachhaltig wirtschaften, und sein Geld in Anlagen zu stecken, die viel für den Klimaschutz tun. Da auch die Unternehmen das wissen, hat sich einiges getan. Viele Firmenlenker haben den Klimaschutz auf ihrer Agenda und versprechen, auf dem Weg zur Klimaneutralität zu sein.

So schön das auch wäre, leider passen diese Lippenbekenntnisse oft nicht zur Realität. Das zeigt eine neue Studie des NewClimate Institute, die die Klimaversprechen von 25 der weltweit größten Unternehmen unter die Lupe genommen hat. Das Ergebnis: Die Firmen versprechen 100 Prozent Reduktion, verringern aber in Wirklichkeit den Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase durchschnittlich nur um 40 Prozent. Dabei ist ihr Einfluss auf das Klima nicht unerheblich. Nach eigenen Angaben verursachten die Unternehmen 2019 (einschließlich vor- und nachgelagerter Emissionen) etwa fünf Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen.

Nicht alle Unternehmen sind gänzlich schwarze Schafe

Allerdings sind nicht alle Versprechen heiße Luft. Immerhin gibt es auch hell-, mittel und dunkelgraue Schafe und nicht nur schwarze. Ein "sehr gut" wurde von den Studienautoren nicht vergeben. Nur eine Firma bekam für ihre Netto-Null Zusage die Bewertung "angemessene Integrität". Drei schnitten mit "mäßig" ab, zehn mit "gering", und den restlichen zwölf wurde "sehr geringe" Integrität bescheinigt.

Thomas Day, leitender Autor der Studie, weist darauf hat, dass die Stichprobengröße zwar gering sei, so dass eine durchschnittliche Emissionsreduzierung von 40 Prozent nicht unbedingt für alle großen Unternehmen gelte. "Aber das Ergebnis ist dennoch alarmierend und gibt einen klaren Hinweis darauf, dass ähnliche Zusagen anderer Unternehmen nicht unbedingt für bare Münze genommen werden sollten."

Maersk: kein Vorbild, aber die Nase vorn

Der dänische Logistikkonzern Maersk bekommt kein "sehr gut", aber immerhin die Bewertung "angemessene" Integrität. "Erstens tut Maersk das, was bei einer Netto-Null-Zusage selbstverständlich sein sollte: Es verpflichtet sich zu tiefgreifenden Emissionsreduzierungen", sagt Silke Mooldijk vom NewClimate Institute. Außerdem investiere Maersk in neue Technologien. "Das Unternehmen leistet Pionierarbeit bei der Entwicklung alternativer Kraftstoffe als Ersatz für herkömmliche Schiffskraftstoffe, die derzeit etwa 60 Prozent der Treibhausgasemissionen von Maersk ausmachen", so Mooldijk.

China Shanghai |  Containerhafen Yangshan
Schiffe übernehmen 90 Prozent des weltweiten Warenhandels. Das verursacht etwa eine Milliarde Tonnen CO2 jährlich, also rund 2,5 Prozent der weltweiten Treibhausgas-Emissionen. Bild: VCG/imago images

Die Klimaversprechen von Apple, Sony und Vodafone haben laut der Studie nur "mäßige" Integrität. Amazon, Deutsche Telekom, Enel, GlaxoSmithKline, Google, Hitachi, IKEA, Vale, Volkswagen und Walmart erhalten die Bewertung "geringe Integrität" und die Klimaversprechen von Accenture, BMW Group, Carrefour, CVS Health, Deutsche Post DHL, E.ON SE, JBS, Nestlé, Novartis, Saint-Gobain und Unilever bekommen die Bewertung "sehr geringe" Integrität.

Warum die Bewertungen nicht besser ausfallen

Laut der Studie planen 24 von 25 Unternehmen ihre Emissionen auszugleichen oder zu neutralisieren, etwa durch Aufforstungsmaßnahmen und andere biologische Kohlenstoffspeicherung. Das wird von den Studienautoren sehr kritisch gesehen, da eine solche Speicherung unter Umständen nicht von Dauer ist. Wälder können beispielsweise abgeholzt werden oder verbrennen.

Von den Autoren wurden Unternehmen zudem schlechter bewertet, wenn sie bestimmte Emissionsquellen oder Marktsegmente bei ihren Klimavorhaben ausgeklammert haben. So schlossen acht Unternehmen vor- oder nachgelagerte Emissionen in ihrer Wertschöpfungskette aus, die aber den Experten zufolge einen Löwenanteil der von ihnen kontrollierten Emissionen ausmachen.

Viele Zusagen der Unternehmen werden, den Studienautoren zufolge, durch zweifelhafte Pläne zur Emissionsreduzierung, durch versteckte wichtige Informationen und Buchhaltungstricks untergraben.

Männer polieren Telekom Schriftzug: Die Deutsche Telekom setzt sich ehrgeizige Ziele, liefert aber unzureichende Informationen wie sie Emissionen mindern will, insbesondere vor- und nachgelagerte Emissionen, die 85 Prozent der Klimabilanz des Unternehmens ausmachen.
Die Deutsche Telekom setzt sich ehrgeizige Ziele, liefert aber unzureichende Informationen wie sie Emissionen mindern will, insbesondere vor- und nachgelagerte Emissionen, die 85 Prozent der Klimabilanz des Unternehmens ausmachen.Bild: dapd

Offizielle Stellen müssen genauer prüfen!

Der Experte Gilles Dufrasne von Carbon Market Watch pocht im Hinblick auf die Studie auf strengere Regeln. "Wir brauchen Regierungen und Regulierungsbehörden, die diesem Greenwashing-Trend ein Ende setzen", sagte er. Vage Zielvorgaben könnten sogar schlimmer sein als nichts zu tun, wenn sie die Öffentlichkeit in die Irre führen.

Nicht nur die Unternehmen selber informieren über ihre Nachhaltigkeitsziele, Orientierung für Geldanleger bieten zudem verschiedene Labels für nachhaltige Geldanlagen. Auch auf EU-Ebene soll Anlegern bei der Entscheidung geholfen werden, ihr Vermögen nachhaltig anzulegen. So wurde eine EU-Taxonomie beschlossen, die Finanzprodukte nach ihrer Nachhaltigkeit kategorisiert. Wie schwierig und umstritten eine solche Einordnung sein kann, zeigt der gegenwärtige Streit darum, ob Atomkraft und Erdgas als klimafreundlich eingestuft werden soll.

Auf der Weltklimakonferenz in Glasgow hatte UN-Generalsekretär Antonio Guterres Ende November gefordert, dass jedes Land, jede Stadt, jede Firma und jede Finanzinstitution "radikal, glaubwürdig und nachvollziehbar" ihre Emissionen runterfahren und ihre Portfolios entsprechend bereinigen müsse – "und zwar ab jetzt". Anders sei das gemeinsame Ziel nicht zu erreichen, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen im Vergleich zur vorindustriellen Zeit.

iw/hb (dpa, NewClimate Institute)