Kobalt aus dem Kongo: Die harte Arbeit in den Minen
20. März 2024Ein schmaler Schacht führt senkrecht in die Tiefe. Pierre Amani Kangenda kann das Ende nicht sehen, dafür die Stirnlampen junger Männer, die einen 20 Kilogramm schweren Sack nach dem anderen nach oben hieven. Kupfer und Kobalt sind es, wonach sie hier im Süden der Demokratischen Republik Kongo mit Spitzhacken und Schaufeln graben.
"Sobald sie die Ader erreichen, fangen sie an, die Rohstoffe abzubauen", sagt Kangenda, der auf seinem täglichen Kontrollgang die Mine am Stadtrand von Kolwezi abschreitet. "Wenn sie 30 Meter Tiefe erreichen, dann hören sie auf und suchen sich einen anderen Ort zum Graben. So schreiben es die Regeln vor." Ein Standard, der im Kleinbergbau bei Weitem nicht selbstverständlich ist: Anderswo gehen die Stollen bis zu 100 Meter tief in die Erde.
Die Arbeit ist hart und gefährlich - aber etwas sicherer als andernorts. Dafür trägt Kangenda Sorge, ein gelernter Bergbauingenieur, ausgestattet mit greller Sicherheitsweste, der als Kontrolleur und Ausbilder im Auftrag des Dienstleistungsunternehmens RCS Global für das Gelände zuständig ist. "Ich überprüfe, welche Probleme es gibt. Sind Kinder vor Ort? Gibt es Rohstoffe, die von außerhalb kommen und die Lieferkette verunreinigen? Gibt es Gewalt und Vergewaltigungen?"
Die Stollen müssen gesichert sein, bei Rissen geschlossen werden. Ein Wellblechdach schützt die Löcher vor Regen. Schwangere Frauen dürfen nicht aufs Gelände und keine Militärs. "Wenn es Vorfälle gibt, dann teilen wir sie unseren Partnern mit. Wir versuchen, sie zu korrigieren, damit die Lieferkette international akzeptabel ist", sagt er.
Den Ruf der E-Mobilität retten
Die Informationen trägt Kangenda in ein Computerprogramm ein. Über das Programm "Better Mining" werden noch sieben weitere Minen in der Region überwacht. Partnerfirmen entlang der Lieferkette können die Daten einsehen - und darauf reagieren.
Gerade für Hersteller von E-Autos steht viel auf dem Spiel. Der Kongo stemmt zwei Drittel der weltweiten Förderung von Kobalt, einem Rohstoff, den es für die gängigen Lithium-Ionen-Batterien braucht. Damit belegt das Land einen sicheren ersten Platz vor Australien und Russland. 15 bis 20 Prozent des kongolesischen Kobalt werden im Kleinbergbau gefördert. Berichte über Kinderarbeit und verschüttete Bergleute schaden dem als nachhaltig vermarkteten Geschäft der E-Mobilität.
Initiativen für mehr Transparenz und Arbeitssicherheit sollen daher zeigen, dass der Rohstoff auch guten Gewissens aus dem Kongo bezogen werden kann. Ein schwieriges Vorhaben.
Transporteure schieben Fahrräder auf eine Anhöhe hinauf, hoch beladen mit den staubigen Säcken. Holzverschläge reihen sich aneinander, an denen "Boss Adou" und die Namen von anderen chinesischen Aufkäufern gesprüht sind. In den sogenannten "Depots" schlagen Männer das Gestein klein, lassen den Rohstoffgehalt bestimmen und abwiegen.
Kein Ankauf von Kobalt aus Kinderhand
Das Verbot von Kindern in den Stollen lässt sich gut umsetzen. Aber wie mit den Minderjährigen aus der Nachbarschaft umgehen, die übers Gelände streifen, um Rohstoffreste aufzusammeln?
"Wir versuchen, die Besitzer der Depots darüber aufzuklären, dass sie die Rohstoffe, die Kinder hierherbringen, nicht kaufen dürfen. Das ist die Bedingung, die wir ihnen stellen", sagt Kontrolleur Kangenda.
In den umliegenden Schulen und Kirchen haben sie Informationskampagnen gestartet, um die Kinder von der Mine fernzuhalten.
Alain Mpalanga ist der stellvertretende Leiter der Kooperative "Somikas", in der die Begleute von "UCK Drain" organisiert sind, wie die Mine heißt, auf der täglich bis zu 5000 Bergleute tätig sind. "Wir denken darüber nach, wie wir das Gelände absperren können. Wenn uns das gelingt, einschließlich der Depots und dem Bereich der Bistros, dann werden keine Kinder mehr Zugang haben", sagt er.
Einstürzende Stollen
Zehn Prozent verdient die Kooperative an jedem geförderten Kilogramm Kupfer und Kobalt, sagt Mpalanga im engen Büro einer Baracke am Eingang des Geländes. Die Bergleute selbst sind nicht angestellt. Sie teilen sich das, was sie gemeinsam in einem Stollen erwirtschaften. In 59 Schächten fördern Bergleute Rohstoffe zu Tage.
"Wir arbeiten in Symbiose", sagt er über das Dienstleistungsunternehmen RCS Global: Sie würden ihn zu Transparenz verpflichten, im Gegenzug jedoch unterstützen. "Seitdem die Rohstoffe in großem Stil gekauft wurden, gab es viele Tote. Aber da wir heute Techniker und Ingenieure haben, konnten wir der Serie der ständig einstürzenden Stollen ein Ende setzen." Nach wie vor kommt es vor, dass Wände einbrechen. Dabei kommen jedoch nicht Dutzende Menschen zu Tode wie bei Erdrutschen andernorts. "Wir hatten nie mehr als fünf Tote bei einem Unfall", sagt er.
Ein Programm wie Better Mining ist kein Zertifikat über eine einwandfreie Lieferkette. Es soll vielmehr die Unternehmen am Ende der Lieferkette dazu befähigen, unternehmerische Sorgfaltsplichten im Ausland wahrzunehmen, wie es mittlerweile auch deutsche Gesetze verlangen.
So erklärt es Lucien Bahimba in einem klimatisierten Konferenzraum in der Provinzhauptstadt Kolwezi, wo er das Programm für RCS Global koordiniert. "Das ist eine fortschreitende Aufgabe, bei der die Leute begreifen lernen, dass sie innerhalb von vielleicht einem Monat oder einem Jahr Verhaltensweisen ablegen müssen, die sie seit fünf oder zehn Jahren praktizieren. Das ist nicht immer einfach."
Lücken in der Lieferkette
Er zeigt auf den Bildschirm seines Laptops. In einem Fenster sind die Minen aufgelistet, die sie überblicken. Die einzelnen Missstände sind aufgelistet, Korrektiv-Maßnahmen, die anstehen und bereits umgesetzt sind. Jede Mine hat eine Bewertung. Auch Firmen am Ende der Lieferkette können die Informationen einsehen. Die Autobauer Volvo und Ford hat RCS Global auf seiner Homepage aufgeführt.
Wenige Meter neben den Hütten, in denen die Rohstoffe gehandelt werden, hat ein LKW geparkt. Arbeiter heben Rohstoffe auf die Ladefläche. Später werden sie zu den Fabriken transportiert, wo sie weiterverarbeitet werden.
Es ist ein kritischer Punkt der Lieferkette. "Unsere Arbeit beschränkt sich darauf, Informationen über die Minen zu geben, die wir überwachen", sagt Bahimba von RCS Global. Das Problem: Die Weiterverarbeiter beziehen ihre Rohstoffe als Mischung aus unterschiedlichen Minen. Unmöglich zu sagen, wie die Bedingungen in sämtlichen Minen aussieht.
Better Mining allein kann den Firmen nicht das Risiko nehmen, dass Problemrohstoffe in ihre Lieferkette gelangen. Dafür müssten derlei Programme die Minen im Kongo großflächig abdecken, sagt Bahimba. "Das wäre tatsächlich das Ideal."