FARC, nein danke?
30. Januar 2018Rodrigo Londoño alias Timoschenko ist für mehrere Straftaten verurteilt worden: Anschläge auf Polizeistationen, Entführung von Politikern und Zwangsrekrutierung von Kindersoldaten für die von ihm geführten revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC). Nun kandidiert er für die Präsidentschaftswahlen im Mai in Kolumbien.
"Wir wissen, dass den etablierten Parteien niemand mehr vertraut”, sagte Londoño am vergangenen Wochenende auf einer Wahlkampfveranstaltung vor rund 500 Anhängern in Bogotá. Sein blaues Hemd und der Pullover mit V-Ausschnitt geben ihm einen seriösen Anstrich. "Wir nehmen an den Wahlen teil, damit sich Politiker nicht mehr mit dem Geld ihrer Wähler bereichern."
Mit Timoschenkos Kandidatur nehmen die FARC erstmals seit ihrer Gründung in den 60er Jahren an einer Präsidentschaftswahl teil. Die Gründung einer politischen Partei wurde möglich, nachdem die kolumbianische Regierung nach fünf Jahren Verhandlungen am 30. November 2016 mit der FARC einen historischen Friedensvertrag unterzeichnete.
Die FARC und ihre Opfer
Doch die Entscheidung der FARC, ihre Waffen zu verschrotten und in die Politik zu gehen, stößt in Kolumbien nicht auf große Begeisterung. Ganz im Gegenteil: Der Einzug der Ex-Kombattanten ins Parlament wird in Kolumbien kontrovers diskutiert. Noch zucken viele Kolumbianer beim Anblick eines Guerillachefs, der sich um das höchste Amt im Staate bewirbt, zusammen.
Viele seiner Landsleute sähen Timoschenko und die ehemaligen Kämpfer lieber hinter Gittern. Denn während des Bürgerkriegs, der über 200.000 Todesopfer forderte und Millionen von Menschen im Land vertrieb, verübte die Guerilla unzählige Anschläge auf die Zivilbevölkerung und bereicherte sich am wachsenden Kokainhandel in Kolumbien.
"Es ist verstörend zu sehen, dass dieser Mann für die Präsidentschaftswahlen kandidiert", meint Gladys Gutierrez, die in Bogota´s Armenviertel Ciudad Bolivar lebt und zufällig an der Wahlkampfveranstaltung teilnahm. "Diese Leute sind Terroristen und Drogenhändler", schreit sie.
Auch FARC-Opfer Herbin Hoyos ist gekommen. Der kolumbianische Journalist wurde 1994 in ein abgelegenes Camp in den Bergen entführt und über zwei Wochen lang an einen Baum gefesselt. Später wurde er vom kolumbianischen Militär befreit. Die Präsidentschaftskandidatur Timoschenkos ist für ihn ein "Zeichen der Arroganz". "Die FARC sollte sich für ihre Verbrechen verantworten, bevor ihre Mitglieder sich um öffentliche Ämter bewerben", meint er.
Versöhnung oder Vergeltung?
Entwaffnung der Guerilla und Gerechtigkeit für die Opfer des Bürgerkrieges - Der Friedensvertrag zwischen kolumbianischer Regierung und der FARC ist ein schwieriger Kompromiss. Eine speziell eingerichtete Übergangsjustiz soll die Kriegsverbrechen aufarbeiten. Ehemalige Guerilla-Kämpfer und Armeeoffiziere, die mit der Justiz zusammenarbeiten, werden von einer Haftstrafe verschont.
Dieser "Friedensdeal" hebt auch vorherige Gerichtsurteile gegenüber FARC-Mitgliedern auf und erlaubt ihnen, sich politisch zu engagieren, sobald sie ihre Waffen abgegeben haben. Damit wurde der Weg frei für die Präsidentschaftskandidatur Timoschenkos.
Gewalt überschattet Image
Auch wenn viele Kolombianer diesen Teil des Friedensabkommens heftig kritisieren – es mehren sich auch die Stimmen, die mit der Vergangenheit abschließen und die FARC als politische Partei akzeptieren wollen. "Ich denke, es ist an der Zeit, den Groll zu überwinden", sagt Bauarbeiter José Antonio Sanchez, der sich Timoschenkos Wahlkampfrede anhörte. Die FARC habe seinen Neffen umgebracht, der bei der Polizei gearbeitet hatte. Dennoch wolle er sich anhören, was die FARC so vorschlage.
Nach Einschätzung des politischen Beobachters Ariel Avila wird diese Normalisierung des demokratischen Alltags noch eine Weile dauern. Im Wahlkampf positionierten sich alle Parteien klar gegen die FARC, auch diejenigen, die für den Friedensvertrag votiert hätten. Avila: "Die ist ein klares Zeichen für die Unbeliebtheit der FARC."
Auch in den Meinungsumfragen spiegelt sich dies eindeutig wieder: FARC-Kandidat Timoschenko dümpelt bei gerade einmal zwei Prozent. "Niemand will mit der FARC koalieren, weil die Leute sie mit Gewalt in Verbindung bringen und dies Stimmeinbußen bringen würde", erklärt Avila. "Deshalb musste die FARC einen eigenen Präsidentschaftskandidaten aufstellen."
FARC-Präsidentshaftskandidat Timoschenko schlägt seit Beginn des Wahlkampfes moderate Töne an. Statt eines revolutionären Umsturzes fordert er nun mehr Sozialleistungen für Arme und will gegen Korruption kämpfen. Das Logo der FARC hat sich ebenfalls geändert: Die zwei Gewehre sind durch eine rote Rose ersetzt worden.