Kolumne Berlin 24/7: Maple-Leaf-Raub: So sicher ist Berlin
2. April 2017Leute, dieser Klau hat das Zeug zum Kult! Twitter gibt den Takt vor: "Erst lassen sie sich aus dem Bode-Museum 'ne 100 kg Goldmünze stehlen, dann ist am S-Bahnhof der Schlitz am Automaten verstopft". Oder ein anderer Tweet: "Mannomann hab ich Rücken! Was Anderes: Wo kann man diskret eine 100 Kilogramm Goldmünze verkaufen?" Politisch höchst inkorrekt schwingt auch Bewunderung für die skrupellosen Diebe mit: "Gute Nummer, viel Spaß mit dem Gold!"
Lachnummer oder Trauerspiel?
Die Frage ist nur: Was trifft die Berliner Museumsleute härter, der schmerzliche Verlust von "Big Maple Leaf" oder die Tsunami-Welle von Häme und Spott, die sich seitdem über sie ergießt?
Wer den Schaden hat, muss für den Spott ja bekanntlich nicht sorgen. Weder im Netz und schon gar nicht in Berlin selber: Denn es gibt keine Stadt, in der diese Volksweisheit glühendere Anhänger findet. Hier ist schließlich die Berliner Schnauze zu Hause, jener gefürchtete Mutterwitz, der nicht schmeichelt, sondern schlägt – und dabei vor nichts und niemandem halt macht.
Eben auch nicht vor den übertölpelten Museumsleuten des Bode-Museums, die jetzt verdattert auf den leer geräumten Sockel starren, auf dem bis vor kurzem noch die "Big Maple Leaf" thronte. Ein 100 Kilo schweres Goldmünzen-Ungetüm mit dem Konterfei von Königin Elisabeth, mal eben von Einbrechern in einem filmreifen Diebeszug entwendet – kaum zu glauben.
Währung für Witzereißer
"Ocean's Eleven" für Arme nennt das der Berliner Tagesspiegel. Treffend analysiert, Kollegen! George Clooney und seine Film-Kumpanen mussten bei ihrem Tresorraub in den Spielhöllen von Las Vegas feinste High-Tech-Werkzeuge einsetzen. In Berlin reichte eine ausziehbare Aluminiumleiter und eine Schubkarre, um das Bode-Museum um eine Münze von fast vier Millionen Euro (so der Materialwert) ärmer – und die Stadt um eine Blamage reicher zu machen.
Ob der Goldmünzen-Klau das Zeug hat, den Großflughafen BER in der Gunst der Ätz- und Spottartisten zu überrunden?
Die Ausgangsposition zumindest ist ausgezeichnet. Denn: Es zuzulassen, eine Goldmünze mit dem Gewicht einer Waschmaschine so einfach aus dem oberen Stockwerk eines der berühmtesten Berliner Museen zu hieven und ungestört über die benachbarte S-Bahn-Trasse fortzurollen, ohne dass die Alarmanlage anspringt oder Wachleute aufkreuzen, verrät ein rekordverdächtiges Maß an Inkompetenz. Und das ist ja die beste Währung für Witzereißer.
Ernste Sicherheitsfragen
Hinzu kommt, dass die sicherheitspolitische Tragweite des Münz-Coups noch gar nicht abzuschätzen ist. Berlin hat 175 Museen. Nicht auszudenken, was da noch alles für das nächtliche Abholen infrage kommt. Und auch im Bode-Museum stehen ja laut Auskunft seines Direktors noch weit wertvollere Kunstwerke.
Wikipedia feiert Berlin als "weltweit herausragenden Museumsstandort". Wie lange wird es brauchen, bis Berlin auch als weltweit geschätztes Kompetenzzentrum für Experten des Aluleiterwesens und des Schubkarrentums bejubelt wird? Berlin hätte dann eine zusätzliche Touristenattraktion – vor allem eine für Touristen mit langen Fingern.
Angst um Angela
Da kann einem schon Angst und Bange werden. Auch aus einem anderen Grund: Ganz in der Nähe des Tatortes wohnt Angela Merkel. Meine ganz persönliche Befürchtung: Wenn es der Berliner Polizei schon nicht gelingt, eine 100 Kilo schwere, relativ immobile Goldscheibe vor dem schweißtreibenden Abräumen zu schützen, wie kann dann künftig die Sicherheit der ein wenig leichtfüßigeren Bundeskanzlerin garantiert werden?
Die Vorstellung lässt mich nicht los: Was wäre passiert, wenn die Diebe statt der Gold-Elisabeth unsere Gold-Mutti entwendet hätten? Und dann steht da plötzlich die Frage: Haben sie es vielleicht sogar versucht?
Aber nein, da kommt mir gleich Alfred Hitchcocks "Über den Dächern von Nizza" in den Sinn. Jener Streifen, mit dem Hollywood das Genre der "kultivierten Thriller-Romanze" begründete, beruhigt mich dann doch. Ob Angela Merkel über den Dächern von Berlin einen ähnlich anziehenden Zauber ausübt wie einst Grace Kelly in Nizza?
Richtig. Noch mal Glück gehabt! Genau das hat sie vermutlich gerettet.