Kolumne: Krieg am Berliner Wohnungsmarkt
19. März 2017Sie haben noch einen Koffer in Berlin? Vergessen Sie's! Sie haben eine Wohnung in Berlin? Bingo! Sie gehören zu den Glücklichen. Bleiben Sie, wo Sie sind! Rühren Sie sich nicht! Ziehen Sie nicht um! Es kann nur schlechter werden.
Unerschwinglich für Künstler
Denn in Berlin eine neue Wohnung zu finden, ist wie ein Sechser im Lotto. Und haben Sie etwas, dann ist es garantiert unbezahlbar.
"Das steht doch in keinem Verhältnis mehr", intoniert eine Bekannte die vertraute Klage. Ich musste bei ihr nur das Thema Wohnungen anpieksen, und schon sprudelt sie los. Mittlerweile würden einige ihrer Freunde mehr als 50 Prozent ihres Einkommens fürs Wohnen bezahlen. Wo denn das noch hinführen solle.
Meine Bekannte arbeitet in einer Künstleragentur. Früher drängte es viele Künstler nach Berlin, weil sie wussten: Das Leben ist erschwinglich, die Partys sind gigantisch.
Doch vorbei sind die glücklichen Zeiten, als Berlin arm und die Mieten niedrig waren. Das spüren vor allem all jene, die es aus dem Ausland nach Berlin zieht.
So wie ich. Als ich vor knapp einem Jahr aus Washington wegging, dachte ich: Alles easy! So teuer wie in Washington, wo man locker 3000 Dollar für 90 qm hinblättert, wird es hier schon nicht werden.
Berlin will dich gar nicht
Ein Wochenende plante ich für die Wohnungssuche ein. Es wurden sechs Monate. Und am Ende waren es sechs Makler, die in meinem Auftrag suchten.
Und dazwischen: Viele Enttäuschungen und Speed-Hoppings von einem Airbnb zum nächsten, um die wohnungslose Zeit zu überbrücken.
Das war für mich eine harte Zeit. Und fühlte sich so an wie: Berlin hat keinen Platz für dich. Berlin will dich gar nicht. Aber natürlich gibt es ganz simple markttechnische Gründe: Wohnungen sind Mangelware in Berlin. Das treibt Mieten und Immobilienpreise in die Höhe. In keiner anderen deutschen Großstadt sind sie so dramatisch angezogen wie in Berlin.
Die Rechnung ist ernüchternd: In den letzten fünf Jahren kamen fünfmal mehr Menschen nach Berlin als neue Wohnungen gebaut wurden. Jetzt schon fehlen um die 125.000 Wohneinheiten.
Sex statt Zimmer
Und die Schere geht weiter auseinander. Das sind gute Nachrichten für Betrüger und Beutelschneider. Anders als der Wohnraum haben die sich in Berlin prächtig vermehrt.
Plötzlich ist er da, der hässliche Berliner, der den Notstand ausnutzt und den Studenten oder die Großfamilie bluten lässt. Die Geschäftsmoral ist dabei unterirdisch.
Nachdem sich keine geeignete Mietwohnung fand, wollte ich mich in meiner Verzweiflung in ein finanzielles Abenteuer stürzen und eine Eigentumswohnung erwerben. Zweimal schraubten Immobilienmakler noch im Verlauf der Verhandlungen den Preis nach oben.
Merkwürdige Sitten bekam auch eine junge Studentin aus Georgien zu spüren. Auf ihre Suchanzeige erhielt die junge Frau statt Wohnungs- vor allem Sexangebote. Man sagte ihr wörtlich: "Du kannst in meinem Schlafzimmer schlafen." Das ist wohl die neue Berliner Art betreuten Wohnens.
Es war einmal eine Stadt, die war arm und sexy. Heute ist es eine Stadt, die reicher geworden ist, aber die Mieter arm macht. Sexy geht anders.
Übrigens: Am Ende fand ich doch noch eine Mietwohnung - sogar in schöner Lage am Prenzlauer Berg. Aber traurig genug: Die Vormieter, ein junges Ehepaar mit Baby, konnten sie sich nicht mehr leisten. Jetzt leben sie weit weg am Stadtrand von Berlin.