Komitee gegen Folter
8. Dezember 2004Die Regierungen westlicher Demokratien sind oft schnell zur Stelle, um Menschenrechtsverletzungen in "Schurkenstaaten" anzuprangern. Geht es dagegen um Missstände im eigenen Land, wird gerne beschwichtigt. Die US-Regierung hat beispielsweise im Folterskandal um das Gefängnis Abu Ghraib immer darauf bestanden, dass es sich um "Einzelfälle" und "Ausnahmen" gehandelt habe.
Aufgeheizte Diskussion in Deutschland
Dabei kann wohl kein Land auf der Welt von sich behaupten, es sei immun gegen Folter. In Deutschland stehen derzeit gleich zwei Fälle in der öffentlichen Diskussion: In einer Ausbildungskompanie in Coesfeld (Nordrhein-Westfalen) sollen Soldaten rund 80 Untergebene beim Nachstellen einer Geiselnahme misshandelt haben. Rekruten seien in der Grundausbildung entführt, gefesselt und in mehreren Fällen durch Stromstöße gequält worden. Die Staatsanwaltschaft Münster ermittelt gegen 20 Unteroffiziere und einen Hauptmann.
Der zweite Fall: In Frankfurt steht der frühere Vize-Polizeipräsident Wolfgang Daschner vor Gericht. Er soll dem inzwischen verurteilten Entführer und Mörder des Bankiersohns Jakob von Metzler bedroht haben. Daschner soll den Entführer Magnus Gäfgen mit "nie erlebten Schmerzen" gedroht haben, um das Geiselversteck zu erfahren. Die Diskussion darüber, wie Daschners Verhalten in dieser Ausnahmesituation zu bewertet ist, wird derzeit sehr kontrovers diskutiert.
Keine Ausnahmen beim Folterverbot
Die Bestimmungen der UNO oder des Europarates sind eindeutig: Folter ist unter keinen Umständen erlaubt. "Die UN-Anti-Folter-Konvention sagt zudem, dass Notstand oder Krisensituationen nicht verwendet werden dürfen, um Folter zu rechtfertigen", sagt Heiner Bielefeldt, Leiter des Instituts für Menschenrechte in Berlin, im Gespräch mit DW-WORLD. Er zeigt sich "irritiert" über die Tendenz in der aktuellen Diskussion, den Folterbegriff systematisch zu umgehen. "Das hatten wir schon einmal vor einem halben Jahr in den USA als nach den Vorkommnissen im Gefängnis von Abu Ghraib immer nur von 'Misshandlungen' die Rede war und der Folterbegriff nicht verwendet wurde." Der Rechtsstaat müsse aber auch im Kampf mit seinen Gegnern seinen eigenen Rechtsprinzipien treu bleiben. "Das Folterverbot ist sozusagen die Nagelprobe", sagt Bielefeldt.
Das Berliner Institut für Menschenrechte und zahlreiche andere Nichtregierungsorganisationen fordern die Bundesregierung auf, das im Dezember 2002 von der UN-Generalversammlung verabschiedete Zusatzprotokoll zur Anti-Folter-Konvention (vom 10.12.1984) zu unterzeichnen und zu ratifizieren. Das Protokoll, das von mindestens 20 Staaten ratifziert werden muss, um in Kraft zu treten, legt seinen Schwerpunkt auf die Prävention von Folter weltweit und sieht die Bildung von Anti-Folter-Komitees vor. Die Chancen für eine Umsetzung des Protokolls stehen in Deutschland laut Bielefeldt gut. "Mittlerweile sieht es so aus, dass es zu einer Einigung zwischen Bund und Ländern kommen kann", sagt Bielefeldt. Das Bundesministerium will diesen Optimismus jedoch nicht teilen. "Zehn Bundesländer stehen noch auf der Kippe. Sie müssen noch überzeugt werden", sagte Sprecher Ulf Gerber auf Anfrage von DW-WORLD. Nicht alle Länder sähen die Notwendigkeit eines solchen Gremium. Es gebe zudem noch Vorbehalte wegen der enstehenden Kosten. Allerdings geht Gerber davon aus, dass das Zusatzprotokoll im nächsten Jahr gezeichnet und ratifiziert werden kann.
Internationales Vorbild
Aufgabe des Komitees ist es, Besuche an Orten durchzuführen, wo Personen in irgendeiner Weise in ihrer Freiheit eingeschränkt sind. Dazu gehören Gefängnisse, Haftanstalten, psychiatrische Anstalten, geschlossene Heime für Kinder und Jugendliche aber auch Alten- und Pflegeheime. Auch Militäreinrichtungen sollen überprüft werden. "Es gibt auf nationaler Ebene bereits vergleichbare Untersuchungsgremien, etwa die Gefängnisbeiräte", sagt Bielefeldt. "Das Anti-Folter-Komitee hätte die Aufgabe diese bestehenden Mechanismen zu integrieren und wirksam werden zu lassen." Laut Gerber gibt es eine Notwendigkeit für ein solches Gremium. "Transparenz dient immer dazu, Missbrauch im Keim zu ersticken". So sei im Polizeibereich mehr Transparenz geboten. "Hier gibt es keine Überwachung."
Das Komitee soll nach seinen Besuchen Empfehlungen und Verbesserungsvorschläge für das Verhalten des Personals aussprechen. Vorbild für das Anti-Folter-Komitee ist das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT), das beim Europarat angesiedelt ist. "Das CPT ist allerdings derzeit für 46 Länder zuständig. Das ist ein Riesenraum." So könnten die entsprechenden Staaten nur alle paar Jahre besucht werden. Eine nationales Komitee erlaube ein sehr viel effizienteres und flächendeckenderes Arbeiten.