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Politik

Bekenntnisse einer Transatlantikerin

13. Juni 2019

Die mögliche Merkel-Nachfolgerin Annegret Kramp-Karrenbauer hat vor der Atlantik-Brücke gesprochen, der Trutzburg der Partnerschaft mit den USA. Und ein paar klare Akzente gesetzt, meint Jens Thurau.

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Berlin | Deutsch-Amerikanische Konferenz - Annegret Kramp-Karrenbauer
Bild: picture-alliance/dpa/W. Kumm

Vergeigt sie das jetzt auch? Am Mittwoch hat die CDU-Vorsitzende, von der viele annehmen, sie könnte die nächste Kanzlerin sein, vor der Atlantik-Brücke gesprochen. Nach Tagen wilder Gerüchte um Annegret Kamp-Karrenbauer und - sind wir ehrlich - einigen missglückten Auftritten. Die CDU hat bei der Europawahl herbe Verluste eingefahren. Seitdem bezweifeln sogar in ihrer eigenen Partei viele, ob die CDU-Chefin das Zeug hat, absehbar deutsche Regierungschefin zu werden. Ein lustig gemeinter Karnevals-Auftritt wurde als homosexuellen-feindlich gewertet, und als ein junger Youtuber heftige Kritik an der CDU äußerte, reagierte Kramp-Karrenbauer gereizt und wenig souverän.

Ein klares Ja zum Zwei-Prozent-Ziel

Und jetzt? Setzt sie im Wesentlichen drei Akzente, die einen Ausblick erlauben, wie es sein könnte, falls sie mal Kanzlerin werden sollte. Erfrischend klar sagt sie: Zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für die Verteidigung aufzuwenden, wie US-Präsident Trump das laut und unhöflich fordert von Deutschland, das ist zu schaffen und auch im deutschen Interesse. Wenn Berlin wirklich mitreden will in Zukunft rund um die Brandherde der Welt, dann ist das ein Muss. Weil nur so das Land sich endgültig aus dem Mauerblümchen-Dasein im Schatten mächtiger Länder löst. Gut so. Und mutig. Populär ist das in Deutschland nämlich nicht. 

Thurau Jens Kommentarbild App
Hauptstadtkorrespondent Jens Thurau

Und vielen Menschen aus dem Herzen spricht auch der Wunsch, endlich Schluss zu machen mit der Rede der deutschen Äquidistanz zu Moskau und Washington. Ja klar: Donald Trump ist eine Zumutung für jeden zivilisierten Menschen! Und viele seiner Mitstreiter wollen Hand anlegen an die demokratische Verfasstheit der USA. Aber noch ist das nicht geschehen, und wir stehen als Land den Amerikanern immer noch näher als Russland. Schlicht, weil wir gemeinsame Werte teilen. Wer in den USA Trump kritisiert, bekommt Ärger, wird beleidigt vom Präsidenten persönlich. Aber wer in Russland Präsident Putin kritisiert, kann im Gefängnis landen. Das ist ein gewaltiger Unterschied, da hat sie Recht.

Noch einmal nachdenken aber sollte die CDU-Chefin beim Thema Klimaschutz. Ihre Forderung, auch während der Trump-Ära sollten die USA und Europa weiter eng beim Klimaschutz zusammenarbeiten, weil nur von dort Impulse kommen könnten - diese Sichtweise scheint seltsam aus der Zeit gefallen. Den Klimaschutz voran gebracht haben zuletzt nicht die Regierungen beiderseits des Atlantiks, sondern die Ländern des Südens - bedrohte Inselstaaten, Staaten Afrikas. Und ganz zuletzt eine weltweite Bewegung junger Menschen, welche die CDU-Chefin mit der Bemerkung abfeiert, sie sei gegen "Verbote". Das wird nicht reichen für einen neuen Ansatz. Das hatte ihr so auch der Youtuber Rezo gesagt, aber gehört hat es Kramp-Karrenbauer offenbar nicht.

Die eigenen Interessen erkennen

Immer wieder taucht in ihrer Rede die Wendung von den eigenen Interessen auf, die Deutschland mehr als früher erkennen müsse. Auch damit hat die CDU-Chefin Recht. Es ist im deutschen Interesse, Europa gegen alle Widerstände zu verteidigen. Und wir als Deutsche müssen bei der höheren Verantwortung, welche Politiker ständig in Sonntagsreden übernehmen, endlich mehr Fakten schaffen. Das Ziel, zwei Prozent des Bruttosozialprodukts für Verteidigung auszugeben, ist keine Kleinigkeit, sondern ein Versprechen, das Deutschland längst gegeben, nur noch nicht eingelöst hat. Ein derartiges Ungleichgewicht bei der Lastenteilung hält keine Freundschaft aus, auch diese gerade an ganz vielen Punkten ernsthaft bedroht ist. Sagt Kramp-Karrenbauer.

Fazit: Die Frau, von der einige glauben, sie könnte die nächste Bundeskanzlerin werden, hat einige eigene Akzente gesetzt. Vergeigt hat sie es also nicht, nicht diesmal.