Ein Paukenschlag, völlig überraschend, ganz zum Schluss: Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK), seit einem Jahr Parteivorsitzende der Christdemokraten, stellte die Machtfrage. Wenn die Partei das wolle, könne sie ihr Amt hier und heute niederlegen. Das Kalkül ging auf: Die Delegierten unterstützen sie - mit langem, rhythmischem Applaus. Loyalitätsbekundungen und Lob für ihre Rede selbst von ihren schärfsten Kritikern.
Der Druck auf AKK vor diesem Parteitag war groß. Übermächtig, erdrückend. Sie stand mit dem Rücken zur Wand. Deshalb hat die Vorsitzende den Befreiungsschlag gesucht. Dass dies nach so kurzer Amtszeit schon notwendig war zeigt, dass sie viele Fehler gemacht hat.
Seit Monaten ein Selbstzerfleischungsprozess
In ihrer Rede hat sie die Themen der Zukunft aufgezeigt: Digitalisierung, Künstliche Intelligenz, Innovation, aber auch Bildung und eine neue Verteidigungspolitik. In einer sich verändernden Welt, die so viele verunsichert, hat AKK für ihre Partei eine Positionsbestimmung vorgenommen. Und das erfolgreich mit der Machtfrage verbunden.
Ihre Kritiker hatten in den vergangenen Monaten einen Selbstzerfleischungsprozess in Gang gesetzt, wie ihn die CDU lange nicht gesehen hat. Die ätzende Kritik aus den eigenen Reihen hat die Partei gelähmt und bei den jüngsten Wahlen viele Stimmen gekostet. Geschlossenheit - das war einst das Markenzeichen der CDU. Und immer dann, wenn sie geschlossen war, war die Partei erfolgreich.
Damit die Geschlossenheit ihre Parteitagsrede überdauert, musste AKK nun ihre Strategie ändern. Zu viele Zugeständnisse an das gegnerische Lager haben nämlich nur ihr Profil verwässert, ihre Authentizität und ihre Glaubwürdigkeit beschädigt. In ihrem ersten Jahr als CDU-Chefin war AKK auf ihre Kritiker zugegangen. Hatte versucht, sich von ihrer Förderin Angela Merkel abzusetzen und die Partei konservativer aufzustellen. Sie hat sich einen Generalsekretär an ihre Seite geholt, der aus dem gegnerischen Lager stammte. All das hat sich für AKK nicht gelohnt. In ihrer Rede hat sie die CDU nun sehr klar in der gesellschaftlichen Mitte verortet.
Eine zähe Kämpferin
AKK hat auf diesem Parteitag gezeigt: Sie will sich durchbeißen, aus Fehlern lernen. Sie ist eine zähe Kämpferin. Jetzt muss sie den Schwung nutzen für den Neustart. Dazu hat sie die Karten in der Hand. Als Verteidigungsministerin muss AKK zeigen, dass sie ein schwieriges Regierungsamt führen und auch auf der internationalen Bühne spielen kann. Als Parteivorsitzende muss sie zeigen, dass sie die Partei mit einem modernen, inhaltsreichen Programm neu positionieren kann.
Bis zur nächsten Bundestagswahl - spätestens 2021 - ist es noch ein langer Weg. Falls die Koalition nicht vorher von den Sozialdemokraten aufgekündigt wird und Neuwahlen notwendig werden. Es gibt Konkurrenten im Wartestand, die nur auf die richtige Gelegenheit und neue Fehler von AKK warten, um selbst in das Rennen ums Kanzleramt einzusteigen. Jetzt war es für sie noch zu früh. Die Kanzlerkandidatur und damit die wahrscheinliche Nachfolge von Angela Merkel auch im Amt der Bundeskanzlerin ist für die CDU-Parteivorsitzende immer noch kein Selbstläufer.