Keine taugliche Mannschaft, keine sportliche Leitung und Fans, die ihrer Mannschaft Gewalt androhen - beim Hamburger SV sieht es kurz vor Ende der Bundesliga-Saison an allen Ecken und Enden zappenduster aus. Dass das desolate Team - wie fast immer in den vergangenen Jahren - beim FC Bayern mit 0:6 unter die Räder kommt, ist dabei gar nicht das Entscheidende. Denn wer hätte ernsthaft damit gerechnet, dass gerade in diesem Spiel eine Art "Wiederauferstehung" des Bundesliga-Dinos erfolgt.
Mut- und planlos
"Wir haben keine Ausreden", sagte HSV-Kapitän Gotoku Sakai nach der Pleite und wiederholte eine ganze Reihe von Phrasen, die beim HSV schon fast zum Standardrepertoire gehören. "So einfache Gegentore darf man in der Bundesliga nicht bekommen. Wir hatten uns viel vorgenommen." Mut- und Planlosigkeit auf dem Platz und anschließend vor dem Mikrofon.
Planlos wirkt auch die Tatsache, dass man sich bei der Suche nach einem neuen Sportdirektor erneut einigermaßen ungeschickt anstellt. Wie schon vor anderthalb Jahren, bevor nach langer vergeblicher Suche schließlich Jens Todt den Zuschlag bekam, dringt an die Öffentlichkeit, wer demnächst angeblich die sportlichen Geschicke bei den Hamburgern lenken soll - obwohl derjenige gar kein Interesse daran hat und zudem noch bei einem anderen Verein unter Vertrag steht. Hamburg, so hieß es, wolle Bayer Leverkusens Manager Jonas Boldt zum Sommer verpflichten. Der Umworbene reagierte darauf angesprochen überrascht und betonte, er sehe keine Veranlassung, seinen Job bei der Werkself aufzugeben.
Der HSV wird absteigen, das steht fest. Die Mannschaft, eine bunte Mischung durchschnittlicher Fußballer, die überdurchschnittlich gut bezahlt werden, kann nicht so bleiben, wie sie ist. Der Abstieg in die 2. Bundesliga muss genutzt werden, um den seit Jahren in die falsche Richtung steuernden Verein, vollkommen neu aufzustellen. Bitter für den HSV, dass ein Spieler wie Jann-Fiete Arp, um den herum ein "neuer HSV" aufgebaut werden könnte, mit Sicherheit nicht den Gang in Liga zwei mitantreten wird.
Wer solche Freunde hat…
Ausgetauscht werden müssten bei den Hamburgern allerdings auch einige Fans. Jene nämlich, die am Samstagabend, nach der Bayern-Pleite am Zaun des HSV-Trainingsgeländes elf Kreuze aufgestellt haben, ergänzt durch ein Transparent mit dem Spruch: "Eure Zeit ist abgelaufen! Wir kriegen euch alle!" Eine Entgleisung - hoffentlich nur einiger weniger - die an Zynismus, Menschenverachtung und Dummheit kaum zu überbieten ist. Bei allem Verständnis für den Frust der Hamburger Fans - offene Drohungen gegen die eigene Mannschaft gehen gar nicht, und es ist gut, dass die Hamburger Polizei in diesem Fall ermittelt.
Für die Hamburger Spieler bleibt unter dem Strich eine bittere Erkenntnis, die Sven Schipplock nach dem Spiel am Samstag vor laufender Fernsehkamera äußerte: "Wir sind nur noch auf uns angewiesen und brauchen auf keine Unterstützung von außen mehr zu hoffen." Treffender kann man die Bankrotterklärung des HSV wohl nicht in Worte fassen.
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