Kommentar: Basta Berlusconi? Noch nicht ganz
28. November 2013
Nach hitziger Debatte hat der italienische Senat Silvio Berlusconi endlich die Strafe verpasst, die er verdient. Berlusconi steht zum ersten Mal seit über 20 Jahren ohne Abgeordnetenmandat oder Regierungsamt dar. Ohne Immunität, sozusagen politisch nackt. Mit Hilfe seiner immer noch treuen Anhänger hatte der 77-jährige Politzombie versucht, sich in letzter Minute noch zum Märtyrer erheben zu lassen. Vergeblich. Für ein Gnadengesuch war er zu stolz. Staatspräsident Giorgio Napolitano, der von Berlusconi nichts hält, hätte es sowieso abgelehnt. Ein letzter Versuch, die Koalitionsregierung des sozialdemokratischen Premierministers Enrico Letta zu sprengen, scheiterte. Alle Erpressungsversuche Berlusconis brachten ihm nichts außer einer Spaltung des konservativen Lagers. Silvio Berlusconi gründete seine alte Partei "Forza Italia" neu. Mit dieser Privat-Partei, die dem Schlachtruf der Fußballanhänger folgt, will Berlusconi wieder an die Macht gelangen. Sein politischer Zögling, Innenminister Angelino Alfano, setzte sich von Berlusconi ab und blieb mit einer kleinen Truppe ehemaliger Berlusconi-Jünger in der Regierung Letta. Damit hatte der alte Strippenzieher nicht gerechnet.
Bedeutet das nun das endgültige Ende der Ära Berlusconi, die immerhin über 20 Jahre währte?
Europa freut sich, Italien ist gespalten
In Europa wird ihm außerhalb Italiens kaum jemand, schon gar kein Regierungschef, eine Träne nachweinen. Zu sprunghaft und skandalträchtig war Berlusconi in seinen letzten Regierungsjahren. Schließlich sorgten Bundeskanzlerin Angela Merkel und der damalige französische Präsident Nicolas Sarkozy dafür, dass Berlusconi schmollend im November 2011 aus dem Amt als Ministerpräsident gedrängt wurde. Er war bei der Rettung der Euro-Zone nur noch ein Klotz am Bein. Die Ära Berlusconi ist dennoch nicht ganz zu Ende.
Der Milliardär, der über ein verschachteltes Firmenimperium und einflussreiche Medien gebietet, sinnt sicherlich auf Rache und auf eine Rückkehr in die politische Arena. Ganz ausgeschlossen ist das nicht. Sollte die Regierung Letta im kommenden Jahr über den wirtschaftspolitischen Kurs stürzen, dann könnte Berlusconi bei möglichen Neuwahlen getragen von "Forza Italia" (Voran Italien) in einer Koalition rechter Parteien zurückkehren. Der Ausschluss von politischen Ämtern wegen Steuerhinterziehung ist zeitlich befristet. Er muss also nur Geduld haben und hoffen, dass er nicht wegen weiterer Straftaten rechtskräftig verurteilt wird. Es gibt Meinungsumfragen, die Berlusconis Wählerpotenzial trotz aller Skandale um Sex, Geld und Bestechung immer noch bei 20 Prozent sehen. Bei vielen kleinen Geschäftsinhabern hat der Self-Made-Milliardär seine Bewunderer. Dass der starrsinnige Lustgreis dabei den Macho gibt und Richter sowie Staatsanwälte lauthals als "Taliban" oder "Kommunisten" beschimpft schadet ihm bei seinen Anhängern nicht. Im Gegenteil.
Das Schauspiel in Rom mag Beobachtern von außen lächerlich bis absurd erscheinen. Es spiegelt auch den Zustand der italienischen Gesellschaft wieder: Verunsichert durch die Wirtschaftskrise, verliebt in dramatische Politik-Inszenierungen und zutiefst skeptisch gegenüber Ratschlägen und Rezepten von europäischen Partnern. Vergessen wir nicht, dass nicht nur Berlusconi, sondern fast alle anderen Parteien mit europakritischen Thesen wider die Sparpolitik ihre Stimmen geholt haben. Mario Monti ist die Ausnahme.
Vom Womanizer zum Pantoffelhelden
Das Drama geht jetzt in die nächste Runde. In dritter und letzter Instanz müssen Italiens Gerichte im Frühjahr entscheiden, ob Silvio Berlusconi wegen Sex mit einer minderjährigen Prostituierten für sieben Jahre in Haft muss. "Bunga-Bunga", also die Rudelpartys in seiner Villa in Mailand, könnten ihm endgültig das politische Genick brechen. Früher zählte der einst erfolgreiche Politiker Männer wie Tony Blair oder Vladimir Putin zu seinen Freunden. Dann verpasste er den Zeitpunkt für einen würdigen Abgang. Heute gilt wahrscheinlich das, was seine ehemalige Gattin, Veronica Lario, über ihn gesagt hat: "Er ist irgendwie krank." Italienische Klatschblätter erzeugen mit ihren neusten Gerüchten schon fast Mitgefühl. Danach steht Berlusconi jetzt unter dem Pantoffel seiner neuen Verlobten, einer 28-jährigen Show-Darstellerin aus Neapel. Sie habe ihm verboten auf Partys zu gehen, heißt es. Komisch und tragisch zugleich. So lieben wir Italien.