Das war Betrug am Wähler
Diese Volksabstimmung war eine böswillige Veranstaltung. Sie sollte genau das eingetretene Ergebnis hervorbringen: Den Anschein erwecken, dass eine Mehrheit der Niederländer "Nein" sagt zum Abkommen der EU mit der Ukraine und damit implizit zu Europa.
Volksabstimmung unter falschen Vorzeichen
Die Organisatoren des Referendums haben es selber fröhlich zugegeben: Sie stellten den Bürgern eine Frage nach einem außenpolitischen Abkommen, und legen die ablehnende Antwort als Absage an Europa insgesamt aus. Das Ganze war eine monumentale Vorspiegelung falscher Tatsachen: Sowohl der Anführer der niederländischen EU-Skeptiker als auch die Figuren aus der "Neuen Rechten", die Geert Wilders unterstützten, jubilieren und sehen sich am Ziel: Sie haben Europa einmal mehr den Stinkefinger gezeigt.
Dabei haben sie alle Mittel des Wählerbetrugs eingesetzt: Sie ließen verbreiten, es gehe um einen EU-Beitritt der Ukraine. Sie nutzten mögliche zweifelhafte Geschäfte von Präsident Poroschenko zur Abschreckung der Bürger und ließen sogar Gerüchte kursieren, der Abschuss von Flug MH 17 sei vielleicht von ukrainischer und nicht von russischer Seite verursacht worden. Letzteres mit schönen Grüßen aus dem Kreml. Und sie redeten den Leuten ein, dass Demokratie bedeute, sie über jede Handlung ihrer Regierung in Europa abstimmen zu lassen.
Beliebige Referenden zerstören die Politikfähigkeit
Die Niederländer haben es nicht verdient, dass sie nach diesem Debakel von einigen Kommentatoren jetzt in Bausch und Bogen zu Europagegnern erklärt werden. Tatsächlich hat nur ein Fünftel der Bürger zum Ukraine-Vertrag Nein gesagt. Und viele Bürger erklärten noch direkt vor der Abstimmung, sie wüssten eigentlich nicht wirklich, worum es dabei gehe. Das Argument aber, die fast 70 Prozent im Lande, die dem Referendum fern blieben, seien schuld an dem negativen Ausgang, ist Unsinn. Warum soll man sich an einem Referendum beteiligen, dessen Fragestellung man für Blödsinn hält und dessen Ziele man nicht teilt?
Bei Abstimmungen dieser Art kommt immer wieder die bekannte Mischung aus allgemeiner Unzufriedenheit, Politikverdruss, dem Gefühl der Einflusslosigkeit und dem Ärger über das Establishment zum Tragen. Und tatsächlich auch ein Teil echter Ablehnung gegenüber einem Europa, das als fern und fremdbestimmt empfunden wird. Aber das ist auf eine Weise nicht heilbar. Ein großer Apparat mit 28 Mitgliedsländern, wo ständig schwierige Entscheidungen und Kompromisse ausgehandelt werden, kann nicht jedes Mal seine Bürger befragen. Das ist der Sinn der parlamentarischen Demokratie: Wir müssen unseren Regierungen mit ihren Entscheidungen trauen. Und sie im Zweifel eben abwählen.
Wollen die Europäer wirklich Europa zerstören?
Was diese Art von Referenden so gefährlich macht ist, dass Aufrührer die Bürger zu jeder erdenklichen Meinungsäußerung verleiten können. Auch solchen, die ihren eigenen Interessen schaden. Die Niederlande sind mit Europa eng verflochten, ihr Wohlstand beruht auf Handel und Dienstleistungen im Binnenmarkt. Würde man ihnen die ehrliche Frage stellen: Wollt ihr diese EU zerstören und einsam und arm in den Grenzen eures kleinen Landes sitzen, was wäre wohl dann die Antwort?
Europa aber muss jetzt in einer großen Offensive den Menschen erklären, dass es keinen Weg zurück in die Vergangenheit geben kann. Die nostalgische Verklärung des Nationalstaates lebt nur deshalb wieder auf, weil sich niemand mehr daran erinnern kann, wie eng, wie ärmlich und mühsam das Leben vor der Europäischen Union gewesen ist.