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Kommentar: Dominosteine auf dem Weg nach "Neurussland"

Bernd Johann11. Mai 2014

Den umstrittenen "Referenden" in der Ostukraine fehlt die demokratische Glaubwürdigkeit. Aber sie können eine Kettenreaktion auslösen, meint Bernd Johann.

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Bernd Johann (Foto: DW)
Bild: DW/P. Henriksen

Geht es nach dem Willen der prorussischen Kräfte im Osten der Ukraine, werden nach der Annexion der Krim abermals neue Grenzen in Europa gezogen. In den Gebieten Donezk und Luhansk werden zwei neue Staatengebilde geschaffen. Es sollen "Volksrepubliken" sein, die unabhängig sind. Tatsächlich aber werden sie sich Richtung Russland orientieren. Denn sowohl politisch als auch wirtschaftlich sind sie auf die Unterstützung des Kremls angewiesen.

Mit Hilfe von "Referenden" soll die Abspaltung von der Ukraine jetzt vollzogen werden, aller internationalen Kritik zum Trotz. Die Abstimmung stand im Widerspruch zur ukrainischen Verfassung. Die Organisatoren waren und sind militante Separatisten, die Verwaltungsgebäude und Polizeistationen gestürmt haben. Sie wurden von niemandem gewählt, sondern haben sich die Macht mit Waffen genommen. Schon deshalb sind die "Referenden" unglaubwürdig und ohne demokratische Grundlage.

Imitierte Demokratie

Unabhängige Beobachter konnten den Verlauf dieser Abstimmungen und das Zustandekommen der Ergebnisse nicht kontrollieren. Da keine offiziellen Wählerverzeichnisse vorlagen, wäre eine Überprüfung auch gar nicht möglich gewesen. Niemand weiß genau, wie viele Menschen wirklich ihre Stimme abgegeben haben. Stimmzettel könnten gefälscht worden sein. Einzelne Personen könnten mehrere Wahlzettel in die Urnen geworfen haben. Viele ukrainische Bürger im Osten sind vermutlich auch aus Angst zu Hause geblieben. Deshalb kann und wird die internationale Staatengemeinschaft dieses Scheinreferendum nicht anerkennen.

Doch die Separatisten wird das nicht stoppen. Sie erwarten keine internationale Akzeptanz für ihr Vorgehen. Ihre "Referenden" waren vor allem populistische Manöver. Sie imitierten Demokratie, um sich so auf einen vermeintlichen "Volkswillen" zu berufen. Und sie wollen damit eine Kettenreaktion in Gang setzen. Denn sie hoffen, dass nun auch in anderen Gebieten der Ost- und Südukraine solche Scheinabstimmungen herbeigeführt werden könnten.

"Neurussland" könnte bis zur EU reichen

Die Strategie erinnert an die Domino-Theorie aus der Zeit des Ost-West-Konflikts. Sie besagte damals, Ideologie und Propaganda würden dafür sorgen, dass nach und nach Nachbarstaaten wie Dominosteine fallen und sich Moskau zuwenden. Ein solches Szenario droht nun für einige Gebiete der Ukraine. Die Separatisten wollen, dass nach dem Vorbild von Donezk und Luhansk weitere "Volksrepubliken" entstehen. Diese Dominosteine könnten später zu einem gemeinsamen Staatsgebilde unter dem Namen Neurussland ("Noworossija") verbunden werden. Davon sprechen sie bereits in Donezk und Luhansk, vor allem aber in Moskau.

Denn auch der russische Präsident Wladimir Putin verwendet den Begriff "Neurussland". Gemeint ist ein Gebiet, das von der Ostukraine über die Krim und Odessa bis an die Republik Moldova und Rumänien und damit direkt an die Grenze der Europäischen Union reichen könnte. Die Krim wurde von Russland bereits annektiert. Donezk und Luhansk könnten folgen, auch wenn Moskau derzeit eine solche Absicht bestreitet. Doch diese Gebiete sind Dominosteine für den Kreml auf dem Weg nach "Neurussland".