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Ende der Schonfrist für Tsipras

16. Juli 2015

Die Abstimmung über das Reformpaket hat Premier Tsipras nur mit den Stimmen der Opposition gewonnen. Seine Partei ist gespalten. Die Umsetzung der Reformpläne wird nun noch schwieriger, meint Spiros Moskovou.

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Finanzminister Euclid Tsakalotos und Ministerpräsident Alexis Tsipras (Foto: REUTERS/Christian Hartmann)
Bild: Reuters/C. Hartmann

Für den griechischen Premier Alexis Tsipras ist die Entzauberung der Regierungsverantwortung nun vollendet. Fünf Monate lang hat er durch das Beschwören von Demokratie und Würde und nicht durch die Erarbeitung überzeugender Konzepte versucht, die Eurozone zu beeindrucken. Damit ist er gescheitert. Letztes Wochenende musste er einer Reihe von Auflagen der internationalen Geldgeber zustimmen, damit Griechenland am Leben erhalten bleibt. Gestern Abend im griechischen Parlament musste er erleben, wie ein großer Teil seiner Partei, immerhin 39 Minister und Abgeordnete, ihm nicht auf den Weg zum Pragmatismus folgte. Ein beachtlicher Flügel der Regierungspartei Syriza hängt unbeirrt am rückwärtsgewandten Populismus.

Die ersten Spar- und Reformpläne der internationalen Institutionen sind mit Hilfe der proeuropäischen Opposition gebilligt worden, also mit Unterstützung der "inneren Troika", wie die rabiaten Linken von Syriza die konservative Nea Dimokratia, die sozialdemokratische Pasok und die linksliberale Partei Potami verschmähen. Tsipras ist nun auf diese angeblich internen Feinde angewiesen, damit der noch nicht ausgearbeitete Vertrag mit den Institutionen auch abgeschlossen wird. Die willigen Abgeordneten von Syriza und die Parlamentarier des kleineren Koalitionspartners Anel erreichen nicht mehr die notwendige Hürde von 150 Stimmen im Parlament.

Wer soll Reformen umsetzen?

Auf den ersten Blick könnte man von einem breiten nationalen Konsens zum Verbleib Griechenlands in der Eurozone und zur Reformierung des Landes sprechen. Dieser Konsens ist allerdings ein gefährliches Minenfeld. Die Oppositionsparteien leisten momentan einen Beitrag zur Rettung des Landes, beobachten aber süffisant, wie sie benötigt werden, um das erste "linke Memorandum" im Parlament durchzuboxen. Sie sind aber noch nicht bereit, bei einer wie auch immer gearteten Regierungskoalition mit Syriza mitzumachen. Syriza wiederum scheint nach dem Erdbeben der gestrigen Abstimmung endgültig in Ideologen und Realisten gespalten.

Spiros Moskovou (Foto: DW)
Spiros Moskovou leitet die griechische Redaktion der DW

Die erwartete Regierungsumbildung mit dem Rausschmiss der Drachmen-Befürworter wird nur vorübergehend die Wellen glätten. Es gilt zwar als fast sicher, dass das dritte Hilfspaket für Griechenland anlaufen wird. Das Land wird erst einmal vom totalen Kollaps gerettet. Aber wer wird die Spar- und Reformauflagen umsetzen? Die Hälfte von Syriza, die im Moment den erzwungenen Verrat ihrer linken Fantasien beweint, oder die Altparteien, die bei der Implementierung der ersten zwei Hilfspakete auch nicht brilliert haben? Die Umsetzung setzt einen Konsens des Anpackens und der Kreativität voraus, der einfach nicht vorhanden ist. Wir beobachten seit fünf Jahren, wie untauglich das politische System Griechenlands im Umgang mit einer nationalen Krise ist. Beharren und im Notfall Recycling, so heisst das altbekannte Konzept. Auch Tsipras wird erstmal beharren und dann zu Neuwahlen greifen. Hoffentlich nicht schon im Herbst.

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Porträt eines Mannes mit schwarz-grau melierten Locken
Spiros Moskovou Redakteur und Autor der DW Programs for Europe