Die führenden Funktionäre des deutschen Amateur- und Profi-Fußballs hatten sich schon bei der Vorstellung des Kandidaten Mitte August förmlich mit Lob für den designierten Präsidenten des Deutschen Fußball-Bundes (DFB)überschlagen: "Authentisch", "glaubwürdig", "sozial", "versteht den Fußball", "ein bodenständiger Mensch", "vertritt einen Werte-Kanon", "sympathisch", "fachlich und charakterlich überzeugend", "eine außergewöhnliche Persönlichkeit" - um nur ein paar Beispiele zu nennen.
Übersetzt in die Fußballsprache bedeutet das: Fritz Keller ist ein reflexstarker Torhüter, beherrscht die Verteidigung, kann im Mittelfeld abräumen und das Spiel lenken, ist pfeilschnell auf beiden Flügeln und trifft als Stürmer aus allen Lagen. Ach ja, ein hervorragender Trainer, Platzwart und Ordner ist er auch noch. Kurz: Fritz Keller traut man alles zu. Und genau hier liegt das erste Problem seiner Amtszeit.
Der DFB scheut eine echte Debatte der Kandidaten
Die Erwartungen an den nächsten Boss im deutschen Fußball sind gewaltig. Eigentlich kann er an ihnen nur scheitern. Man ist selten gut beraten, einen Kandidaten dermaßen mit Vorschusslorbeeren zu überhäufen, denn selbst die klügsten Köpfe können eben nicht alles. Und das müsste er eigentlich - vor ihm türmt sich ein Berg von Aufgaben: Fritz Keller soll den national wie international ramponierten Ruf des DFB wieder aufpolieren, den nicht zu unterschätzenden Riss zwischen Profi- und Amateurfußball kitten, die Aufarbeitung des Skandals um die WM 2006 vorantreiben, den Rückstand in der Jugendarbeit im Vergleich zu Nationen wie Frankreich aufholen, den Frauen im Verband endlich eine Stimme geben, dem Profifußball den Freiraum für neue Einnahmequellen lassen und der Nationalmannschaft die notwendigen Strukturen geben, um wieder den Anschluss an die Weltspitze herzustellen.
Das zweite Problem: Hinter der Wahl des Präsidenten des SC Freiburg zum DFB-Chef wird ein Makel bleiben, für den er streng genommen nichts kann. Seine Proklamation zum nächsten Präsidenten des DFB war alles andere als ein demokratisches Verfahren. Eine sechsköpfige Findungskommission aus Spitzenfunktionären des DFB und der Deutschen Fußball Liga (DFL) sprach nur mit einem einzigen Kandidaten: Fritz Keller. Alle anderen ignorierte sie. Zum Beispiel Ute Groth, die die erste Frau an der Spitze des DFB werden wollte. Als Präsidentin eines Düsseldorfer Amateurvereins hatte sie keine Chance, kein Landes- oder Regionalverband schlug sie vor, denn der DFB suchte und fand einen Konsenskandidaten. Die Findungskommission lenkte alles in planbare Bahnen. Ein Wettbewerb der Ideen, Visionen und Meinungen fand nicht statt. Der DFB hätte nach dem desaströsen Bild, das Amtsvorgänger Reinhard Grindel mit seinen Alleingängen hinterließ, mehr Demokratie wagen sollen - nein: müssen.
Keller gibt viel Macht ab - zu viel?
Kellers drittes Problem hängt unmittelbar mit den gemachten Erfahrungen seiner zurückgetretenen Vorgänger zusammen: Die Macht des Präsidenten wird erheblich beschnitten. Wie die Präsidentschaft selbst, wurde auch in Hinterzimmern festgezurrt, dass Keller keine Ämter bei FIFA und UEFA anstrebt und diese stattdessen seinem Vize Rainer Koch überlässt. Auch bei der geplanten Aufsplittung des DFB in eine GmbH und einen eingetragenen Verein gibt Keller Macht ab: Der bisherige Generalsekretär Friedrich Curtius soll die finanziell wichtigere GmbH leiten, Keller sich im e.V. um die Themen Amateur, Frauen und Schiedsrichter kümmern. Bei der Durchsetzung seiner Visionen und Reformen könnte die Macht-Teilung zu einer großen Hürde werden.
Viele werden nun sagen, dass Fritz Keller der Richtige ist. Zu Recht, denn schon lange hatte der DFB keine solch integrative und von allen Lagern getragene Führungsfigur, die offen für Veränderungen wirbt. Aber ob das für eine erfolgreiche Präsidentschaft reichen wird, hängt davon ab, ob auch der Verband um ihn herum bereit ist, sich zu ändern.