Nein, der Hamburger SV kickt nicht in der 1. Bundesliga. Und in der Winterpause ist er auch noch. Aber es ist halt der HSV. Und nach 55 Jahren Liga-Zugehörigkeit gehört er immer noch zu den Big Playern in Deutschland. Zumindest gefühlt.
In den späten 70er- und frühen 80er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts holte das damalige Starensemble von der Elbe dreimal die deutsche Meisterschaft, gewann den Europapokal der Pokalsieger und krönte sich 1983 mit dem Titel im Landesmeisterpokal zur besten Mannschaft Europas.
Damals war ein gewisser Marcell Jansen noch gar nicht geboren. Der schnelle Außenbahnspieler stieß erst 2008 im Alter von 24 Jahren zu den Hamburgern. Und eigentlich war da seine ganz große Zeit schon vorbei. Dennoch schaffte er es, in 187 Spielen im Trikot mit der Raute zu einer Art Vereinsidol zu werden.
Was wahrscheinlich gar nicht so schwierig war in dieser Zeit, denn es gab so wenige Konstanten. Funktionäre wechselten, Manager kamen und gingen, Trainer ebenso und spielerisch war es häufig trostlos, was sich auf dem Platz abspielte. Da verbreitete der Ex-Nationalspieler wenigstens ein bisschen Glanz im Volkspark.
Business-Kritiker wird Vereins-Funktionär
Nun, mit 33, ist Marcell Jansen der personifizierte Hoffnungsträger für den Klub, der seit drei Jahrzehnten nicht mehr so richtig auf die Füße kommt. Die Mitglieder haben ihn mit deutlicher Mehrheit zum neuen Vereinspräsidenten gewählt. Ihn, der 2015 seine Karriere früh beendet hatte, um sich anderen Projekten zu widmen, um dem von ihm so ungeliebten Fußball-Business zu entfliehen.
Jetzt ist Jansen Präsident des schlingernden Riesen HSV, Vorstand von 78.000 Mitgliedern. Aber wer glaubt, dass sich jetzt vieles ändern wird beim aktuellen Zweitliga-Tabellenführer, dürfte bald enttäuscht werden. Denn Jansen steht trotz seiner Jugend nicht für einen Neuanfang.
Jansen gilt als Zögling von Bernd Hoffmann, der seit Mai 2018 die ausgegliederte Fußball-AG leitet und und zuvor für einige Monate Präsident des Gesamtvereins war. Hoffmann war es, der die Trennung vom damaligen Vorstandsvorsitzenden Heribert Bruchhagen und von Sportdirektor Jens Todt mit vorantrieb - als Teil der von ihm propagierten Neuausrichtung.
Hoffmanns Mann
Die Wahl Jansens nahm Hoffmann so dem Vernehmen nach erleichtert auf. "Das Ergebnis habe ich nicht zu kommentieren", sagte Hoffmann verschmitzt lächelnd und tat es dann doch: "Marcell Jansen wird ein guter Präsident für den HSV sein." Vielleicht hätte er besser gesagt: "Mein guter Präsident." Weiß Hoffmann doch, dass er nun fast freie Hand hat bei seiner gewagten Finanzpolitik.
85 Millionen Euro Verbindlichkeiten, ein weiteres Defizit für das laufende Geschäftsjahr, eine bald auslaufende Fan-Anleihe über 17,5 Millionen - die durch eine neue ersetzt wird, weil sie gar nicht zurückgezahlt werden kann. Sechs Prozent Zinsen. Zum Vergleich: Selbst Griechenland bezahlt nur 3,5 Prozent für seine Staatsanleihen.
Dass Jansen da zu kritisch nachfragt, so mutmaßen Kritiker, ist nicht zu befürchten. Und so wird auch der jung-dynamische und smarte Ex-Fußballprofi nicht viel ändern. Marcell Jansen ist zwar HSV-Präsident, ob er mehr als ein Gruß-August ist, wird er beweisen müssen.