Zu Unrecht ging Jacob Zumas nächtliche Kabinettsumbildung vom Freitag in den globalen Schlagzeilen fast unter - dabei ist sie die Vollendung eines kalten Putsches.
Zuma hat erst den regierenden Afrikanischen Nationalkongress ANC unter seine Kontrolle gebracht und mit dessen absoluter Mehrheit den Staat. Der "State Capture" (Staats-Übernahme)-Bericht der - inzwischen aus dem Amt geschiedenen Ombudsfrau Thulisile Madonsela - beschreibt detailliert, wie das korrupte System Zuma alle Ebenen der Legislative und Exekutive okkupiert hat. Der Rausschmiss des weithin geachteten Finanzministers Pravin Gordhan und seines nicht minder aufrechten Vizeministers Mcebisi Jonas vollendet Zumas Machtübernahme. Nun dient er offen dem Interesse des zwielichtigen indischen Gupta-Familienimperiums, der eigenen Großfamilie, den Hundertschaften seiner Günstlinge und: der Strafvereitelung.
Größte Belastungsprobe der Nach-Mandela-Ära
Die neue Qualität ist, dass es Zuma gleichgültig geworden ist, was seine parteiinternen Gegner, Minister, Veteranen des Widerstands, Amtsvorgänger, was Verfassungsrichter, Zivilgesellschaft, was Industrie, Börse, Gewerkschaften und Akademiker davon halten. Was die parlamentarische Opposition sagt sowieso, und was das Volk denkt, erst recht. Zuma ist endgültig zum dunklen Fürsten der Macht geworden und zur ersten wirklichen Bestandsprobe der Post-Apartheid-Demokratie Südafrika. Kippt der Staat?
Der ANC ist unfähig, sich von innen zu erneuern. Die "guten" Genossen, die es zweifelsohne noch gibt, wählen heimlich Opposition oder sind gefangen in ihrem ideologischen Korsett.
Zumas jüngste Kabinettsumbildung kostet nicht nur Millionen an alten und neuen Versorgungsansprüchen für die immer länger werdende Ministerriege. Sie kostet auch endlos Sachverstand, Effizienz und Zeit. Sie stellt Loyalität über Sachverstand, belohnt inkompetente Karrieristen und straft sachkundige Gegner offen ab - wie Schwergewicht Gordhan, aber zum Beispiel auch den weißen Tourismusminister Derek Hanekom, der sich mutig gegen Zuma stellte.
Justiz, Medien und Zivilgesellschaft - ja selbst die Wirtschaft - haben sich in den vergangenen Jahren als erstaunlich robust und widerstandsfähig erwiesen. Aber mit jedem Zuma-Monat mehr wirken sie fassungs- und ratloser. Es fehlt ein Masterplan zur Entmachtung Zumas. Parlamentspräsidentin Baleka Mbete brach zwar eine Bangladesh-Reise ab, um sich mit den eingehenden Misstrauensanträgen der Opposition zu befassen - möglichst auf einer Sondersitzung.
ANC-Genossen vor der Wahl: Parteiräson oder Aufstand?
Aber Mbete gehört nicht zu den Zuma-Gegnern und jeder Tag Verzögerung nimmt der Sache die Wucht. Südafrikas Vizepräsident Cyril Ramaphosa distanzierte sich öffentlich von der Kabinettsumbesetzung, trat aber nicht zurück. Es ist der verzweifelte Versuch der Zuma-Kritiker, nicht völlig den Zugriff auf die Macht zu verlieren, das Ärgste doch noch zu verhindern - zum Beispiel einen durch und durch korrupten Atomdeal mit Russland. ANC-Anhänger diskutieren, ob man innerhalb der viel beschworenen "nationalen, demokratischen Revolution" den eigenen Führer stürzen und damit der Opposition dienen darf. Man darf. Denn das höhere Gut ist in Gefahr - die Verfassung, der eigene Staat, die Demokratie.
In der Nationalversammlung sollten sich die verbliebenen "guten Genossen" den Misstrauensanträgen der Oppositionsparteien anschließen. Mit ihrem Votum entscheiden sie über ihren Platz in den südafrikanischen Geschichtsbüchern. 70 der 249 ANC-Stimmen wären dafür nötig. Sonst bleibt Zuma, der Feind des Systems, im Amt.
Übers Wochenende begannen hektische Mobilisierungskampagnen. Wer Veränderung will, trägt schwarz. Am kommenden Freitag soll ein nationaler Protesttag beginnen. An seiner Wirkkraft und der Gewissensentscheidung der aufrechten ANC-Genossen wird sich entscheiden, wie lange die Zuma-Misere noch anhält. Die Revolution, von der einige verträumte ANCler noch immer reden, ist längst korrumpiert. Die Geschichte zeigt: Revolutionen gehören keiner Partei. Sie gehen vom Volk aus und nehmen oft eine ganz unerwartete Richtung.
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