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Politik

John Bercow - Abgang eines Unbequemen

Robert Mudge - Kommentatorenbild (PROVISORISCH)
Robert Mudge
1. November 2019

Unausstehlich, stur, aufgeblasen - nur einige der Attribute, die John Bercow während seiner Zeit als Sprecher des britischen Unterhauses zugeschrieben wurden. Vor allem hat er sein Amt neu definiert, meint Rob Mudge.

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UK John Bercow kündigt seinen Rücktritt an
Emotionaler Abschied: John Bercow, seit zehn Jahren Parlamentssprecher, hat im September seinen Rücktritt angekündigtBild: picture-alliance/empics/House of Commons

"Der Herr möge es unterlassen, in sitzender Position ausdruckslos und ohne ersichtlichen Grund vor sich hinzumurmeln."

Selbst wer nicht treu jede Debatte im britischen Unterhaus verfolgt (schuldig im Sinne der Anklage!) wird irgendwann auf die unsterblichen, auf unverwechselbare Art vorgetragenen Worte John Bercows gestoßen sein.

Vor einigen Wochen kündigte Bercow an, er werde sein Amt als Parlamentssprecher am 31. Oktober abgeben - dem Tag, an dem nach damaligem Stand das Vereinigte Königreich die Europäische Union verlassen sollte. Zufall? Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Die Tories werden ihm wohl keine Träne nachweinen: Bercow, der vor seiner Wahl zum Parlamentssprecher 2009 Mitglied der Konservativen Partei war, war der Regierung seit dem Brexit-Referendum 2016 ein Dorn im Auge. In beinahe jeder erdenklichen Situation versuchte er sicherzustellen, dass die Regierung die Forderungen des Unterhauses nach Transparenz und Klarheit nicht mit Füßen tritt - insbesondere in Brexit-Angelegenheiten. Wegen dieser Bemühungen galt er einigen als anstößig, rechthaberisch und arrogant, was ihn jedoch nicht von seiner Mission abgebracht hat, das Parlament und dessen Traditionen zu entstauben.

Bruch mit Konventionen

Tatsächlich gehört die Modernisierung der Rolle des "Speakers" - sowohl optisch (Robe, Knie- und Strumpfhosen wanderten zurück in die Mottenkiste) als auch inhaltlich - zu den Markenzeichen Bercows. Es war ihm ein Anliegen, das Machtgleichgewicht im Parlament wiederherzustellen, mit dem Unterhaus als Gegengewicht zu einer immer mächtiger werdenden, überheblichen Exekutive.

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DW-Redakteur Rob Mudge

So erlebte etwa das "Urgent Question"-Verfahren unter Bercow ein Comeback - eine Prozedur, die es Abgeordneten erlaubt, einen Minister zur Beantwortung dringender Fragen vorzuladen. "In den vergangenen neuneinhalb Jahren habe ich es mehr als 570 Mal für angebracht gehalten, dringende Fragen zu genehmigen, damit die Regierung in einem legitimen Verfahren gefragt, geprüft, hinterfragt, angefochten und zur Rechenschaft gezogen werden kann", sagte er kürzlich - wohl wissend, dass keine Regierung gerne untersucht, hinterfragt oder herausgefordert wird.

Bercow nutzte oder ignorierte die Konvention - je nachdem, was seinem Zweck dienlich war. Letzteres tat er etwa im Januar, als er Sand ins Brexit-Getriebe streute, indem er ein Votum über eine Änderung eines Geschäftsantrags der Regierung bezüglich des Brexit-Abkommens genehmigte. Die Änderung zwang die damalige Premierministerin Theresa May, innerhalb von drei Tagen einen Antrag zu bereits vorgeschlagenen Alternativplänen zu stellen, falls ihr Brexit-Deal vom Parlament abgelehnt würde.

Im März, kurz vor dem ursprünglichen Brexit-Datum, kam Bercow dem Plan der Regierung zuvor, ein drittes Mal über das Austrittsabkommen abstimmen zu lassen - ein Schritt, der bei den Tories kollektive Schnappatmung auslöste. Aus der "Bibel" parlamentarischer Verfahren, "Erskine May", zitierend, verkündete Bercow, die gleiche Frage dürfe "während derselben Sitzung nicht erneut vorgebracht werden" und dass es sich um eine "starke und traditionelle Konvention" aus dem Jahr 1604 handele.

Angeknackstes Image

Ehre, wem Ehre gebührt. Dennoch: Immun gegen Skandale war Bercow nicht. Sein Scharfsinn und Können haben ihn zum Beispiel während des Ausgabenskandals von 2009 im Stich gelassen, als sich herausstellte, dass er auf den Verkauf von zwei Immobilien keine Kapitalertragsteuer gezahlt hatte. Und was Bercow sich dachte, als er knapp 1000 Pfund (1160 Euro) für die Anstellung eines Buchhalters geltend machte, der ihm seine Steuererklärungen machte, bleibt sein Geheimnis.

Schwerer wiegen die Vorwürfe, Bercow habe Mitarbeiter gemobbt und Belästigung toleriert. Im vergangenen Jahr gab ein ehemaliger Privatsekretär Bercows zu Protokoll, wiederholt während der Arbeit von diesem gemobbt worden zu sein. Zudem sei er bei seiner Kündigung angewiesen worden, eine entsprechende Verschwiegenheitserklärung zu unterzeichnen. Solche Vorwürfe hinterlassen einen bitteren Nachgeschmack und werfen die Frage auf, ob Bercows Versuche, das Parlament gerechter und transparenter zu machen, wirklich mehr als Lippenbekenntnisse sind.

Politik und Humor - (k)ein Gegensatzpaar

Nicht in Frage steht dagegen der Unterhaltungswert seiner Amtszeit. Zwar könnte man argumentieren, dass das House of Commons kein Ort ist, um ein Spektakel zu inszenieren oder persönliche Befindlichkeiten zur Schau zu stellen. Ich würde dagegenhalten, dass die Politik sich oft selbst zu ernst nimmt und Figuren wie John Bercow dazu beigetragen haben, den scheinbaren Graben zwischen ernsthafter politischer Debatte und Lachen zu überwinden - schließlich sind auch Politiker Menschen!

Ich werde mit Sicherheit seine schrillen Krawatten vermissen, ebenso wie seine sprachgewandten und zugleich bissigen Beschimpfungen jener, die es wagten, seinen Zorn auf sich zu ziehen. Ich bin mir nicht sicher, was er von dem Parodie-Twitter-Account "Sweary Bercow" hält (@BercowSweary, falls Sie neugierig sind), aber angesichts seines bösen Humors vermute ich, dass er den Tribut zu schätzen weiß.