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Karossen und Kotau

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Ines Pohl
11. Januar 2016

In Detroit feiert sich gerade die Autobranche selbst. Allerdings nicht VW. Die Wolfsburger sind auf Rettungsmission unterwegs. Für Ines Pohl ist es schwer vorstellbar, dass die vorgebrachte Entschuldigung ausreicht.

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Mercedes Benz F015
Bild: picture alliance/landov

Es geht um Macht. Und Geld. Um Status. All die Inszenierung, das Funkeln der auf Hochglanz polierten Autos, das Blitzen der Schweinwerfer, die bombastischen, futuristischen Klänge, die Hostessen mit Absätzen, die fast so hoch sind wie die Röcke kurz, sind immer aber auch ein Versprechen. Wer einmal einen der Wagen besitzen wird, die hier, auf einer der großen Autoschauen in Detroit gezeigt werden, hat es geschafft. Seit Wochen werden die aufwendigen Präsentationen vorbereitet. Schließlich geht es um einen Milliarden schweren Markt. Hier wird immerwährende Potenz und Jugend verkauft, Coolness und der Zukunft zugewandte Verantwortung.

Autos eben

Es geht um Träume und Projektionen, aber immer auch um Realitäten und ein knallhartes Geschäft. Der Kunde legt viel Geld auf den Tisch für das Image, das er sich mit seinem Auto kauft. Oder kaufen möchte, wenn er (oder sie) entsprechend solvent wäre. Und nicht zu vergessen: Auch das Träumen vom ultimativen fahrbaren Untersatz kann verdammt ernsthaft betrieben werden.

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DW-Korrespondentin Ines Pohl

Das mag erklären, warum die Schlagzeilen vom VW-Abgasskandal nicht von den Titelseiten verschwinden. Das Image von "Made in Germany" ist stark und groß. Und gerade deshalb auch verwundbar. Steht tatsächlich die ganze Branche unter Generalverdacht, wie manche deutsche Politiker und Funktionäre befürchten und amerikanische Spindoktoren gewitzt zu platzieren wissen?

Doch Unterstellungen helfen nicht

Hier bei der NAIAS, der North American International Auto Show, zumindest will der Glanz einen anderen Schein vermitteln. Das Interesse an den deutschen Autoherstellern ist ungebrochen. BMW, Porsche und Audi vermelden Rekordumsätze und erwarten weiteres Wachstum. Sie zeigen sich überzeugt von der Qualität und Attraktivität ihrer Elektroautos und Wasserstoffmodelle und verkünden vollmundig, damit in ihren hochpreisigen Segmenten auch den Markt der Zukunft mit zu dominieren. Der neue VW-Chef Matthias Müller entschuldigte sich in bisher nie dagewesener Eindeutigkeit und versucht bei allem Büßergang doch auch ein wenig Optimismus zu verbreiten bei der Pressekonferenz, die skurrilerweise in einem ehemaligen Feuerwehrgebäude ziemlich chaotisch abläuft.

Die Hoffnungen der Niedersachsen, dass die Branchen-Nachrichten vom neuen Boom der Autoindustrie zum Auftakt des neuen Jahres bestimmt sein würden, hatten sich spätestens in Luft aufgelöst, seit die USA Anfang vergangener Woche eine Privatklage gegen den deutschen Autokonzern erhoben hatten. Ende der Woche legten dann Staatsanwälte von fast 50 Bundeststaaten nach und drohten mit weiteren Klagen. Ein Ende ist also erst mal nicht in Sicht. Um so wichtiger war diese eindeutige Geste des VW-Chefs in Detroit. Wird sie reichen, um die Wogen zu glätten? Das ist schwer vorstellbar. Denn auch wenn es teilweise stimmen mag, dass amerikanische Wirtschaftsinteressen hinter der Klage stehen, geht es doch um mehr. In den Obama-Jahren haben sich die amerikanischen Kontrollbehörden zu aufrichtig arbeitenden Organen entwickelt, die nicht zuletzt auch Deutschland und Europa die Instrumente zeigen.

Es geht um mehr als um VW

Deutschland sollte deshalb vorsichtig mit der Unterstellung sein, dass Amerika aus bloßem Eigeninteresse handele. Denn schließlich ist mit dem Land Niedersachsen auch die Politik an VW beteiligt. Und niemand kann heute noch ernsthaft glauben, dass weite Teile der Führungselite um den Ex-VW-Chef Martin Winterkorn von den Manipulationen nichts gewusst haben.

Betrogen hat ein deutsches Unternehmen. Punkt. Entsprechend hilft alles Lamentieren nicht. Es gibt nur eine Antwort: Aufklärung mit angemessener Bestrafung der Verantwortlichen, ohne irgendwelche Rücksichten.

Das ist der Konzern nicht nur seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern schuldig. Sondern auch seinen deutschen Mitbewerbern. Denn es geht eben um viel mehr als nur VW. Es geht auch um "Made in Germany". Noch scheint es, als habe dieses Label zumindest hier auf der traditionellen Auto-Show in Detroit noch nicht viel von seinem Glanz eingebüßt.

Aber gerade weil Autos so viel mehr sind als Blech und Technik, ist die Situation so heikel. VW stand für das Versprechen, sich auf deutsche Wertarbeit verlassen zu können. Und es ist hinlänglich bekannt, wie betrogene Liebhaber reagieren.

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Ines Pohl Büroleiterin DW Studio Washington@inespohl