Diskutiert und gerungen wurde lang, "stundenlang". Es gab gegensätzliche Meinungen und Kritik von vielen der Fachpolitiker - doch die Unionsfraktion trägt die Linie von Bundeskanzlerin Angela Merkel weithin mit. Am Dienstag (13.10.) ging es nicht um die Euro-Rettung oder um ein neues Hilfspaket für Griechenland, sondern um Flüchtlinge, um Belastungen, Integration. Doch der Stimmungsumschwung in Teilen der Bevölkerung schlägt sich in der Fraktion nicht nieder.
Jeder Fünfte gegen Merkel - Ist das viel?
Dabei liegt es angesichts mancher offenen Kontroverse und des lauten Streits zwischen den Schwesterparteien CDU und CSU nahe, dass sich daran auch in der Unionsfraktion ein Konflikt entzündet. Auch das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz - es bringt die ersten gesetzlichen Veränderungen nach Beginn der massenhaften Ankunft von Flüchtlingen in Deutschland - birgt Anlass zur Nachfrage. Und? "Merkel hat jeden fünften Unionsabgeordneten gegen sich" - titelte "Spiegel online". 20 Prozent - das klingt nach viel. Doch 18 Prozent der C-Parlamentarier haben ohnehin ein christsoziales Parteibuch. Die Bedenken, die der ein oder andere aus der CSU-Landesgruppe übrigens auch schon frühzeitig, also Anfang September, vorbrachte, sind mehr als deutlich.
Und darüber hinaus? Spricht man mit Abgeordneten, dann wirkt die Debatte in dieser Woche nicht wie eine Fraktionskrise. Im September war die Aussprache mindestens so angespannt. Nun haben vor allem Innenpolitiker der Union Kritik geäußert und - Thema Grenzkontrollen - auch regelrecht gestritten mit der Kanzlerin. Da gab es sehr kritische Nachfragen. Doch stand Angela Merkel bei dieser Kontroverse auch der Bundesinnenminister zur Seite.
Die Kanzlerin bleibt bei ihrer Linie
Ansonsten bleibt der generelle Eindruck: Die Kanzlerin kam mit ihren Darlegungen in der Fraktion gut weg. Sie hält die Linie, die sie vor einer Woche in einem langen Fernsehgespräch und zu Wochenbeginn in einem ungewöhnlich umfangreichen Interview in der "Bild"-Zeitung vertrat.
Aber Merkel geht es mit den Abgeordneten der größeren Regierungsfraktion so, wie es der Rahmen einer großen Koalition eben vorgibt: Union und SPD verfügen über eine satte Mehrheit. Die einzelnen Mandatsträger wissen, dass sie wichtig, aber nicht überlebenswichtig für den Fortbestand der Koalition sind. Da müssen Abweichler nicht unter vier Augen "ins Gebet genommen" genommen werden. Und bislang hat Merkel noch keine einzige Koalitionsentscheidung mit einer Vertrauensfrage verbinden müssen. Das wurde bei der jüngsten Abstimmung über ein drittes Hilfspaket für Griechenland deutlich - da votierten mehr als 20 Prozent, nämlich 63 von 310 Unionsvertretern, gegen die Regierungsvorlage.
Bei Nominierungen zeigt die Basis ihre Macht
Wenn die Abgeordneten an ihrer Basis den Kurs der schwarz-roten Koalition persönlich verteidigen müssen, erst dann wird es ernster werden. Das dürfte spätestens bei den Nominierungen für die nächste Bundestags- oder Landtagswahlen der Fall sein. Die Parteitage der Unionsschwestern - die CSU im November, die CDU im Dezember - mögen erste Signale bringen. Aber beide Parteien zeigen da üblicherweise keine ausgeprägte Kultur des engagierten Streits.
Die lauter werdende Missstimmung - mal von Experten, mal in den Medien, mal auf der Straße - spiegelt sich in der Unionsfraktion nicht wider. Noch nicht. Falls das Gesetz, welches das Parlament an diesem Donnerstag verabschiedet, nur unzureichend wirkt, wenn die Stimmung an der Basis kritischer wird, dann mag sich das ändern.
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