Kommentar: Klimaopfer weiße Winter
Ich erinnere mich noch gut an meinen ersten Winter in Deutschland: Es war kalt, sehr kalt. Damals lebte ich in Leipzig und war ganz perplex, als ich auf dem Weg durch den Park, den ich üblicherweise in die Innenstadt radelte, an Menschen vorbeikam, die auf den Waldwegen Ski fuhren.
Mein zweiter deutscher Winter war ebenso rau. Mittlerweile lebte ich in Bonn und hatte mein eigenes Temperaturlimit von null Grad Celsius fürs Fahrradfahren entwickelt. Da ich ursprünglich aus der Wüste Süd-Arizonas in den USA stamme, brauchte ich einige Zeit, um mich an die deutschen Winter zu gewöhnen.
Trotz der Kälte war ich jedes Jahr von Neuem entzückt, wie der Schnee die graue Umgebung in ein Winter-Wunderland verwandelte. Eine meiner Freundinnen wurde zur Rodel-Enthusiastin - sie hatte immer so viel Spaß, dass ich mir im Frühjahr auf einem Flohmarkt selbst einen gebrauchten Schlitten kaufte.
Doch der Schnee kam nicht wieder. Seit drei aufeinanderfolgenden Jahren bleibt der Schnee hier in Bonn nie länger als ein paar wenige Stunden liegen.
Dieser Winter bricht weltweit die Rekorde. Er ist der wärmste seit Beginn der Aufzeichnungen und hat damit den globalen Rekord vom vergangenen Jahr abgelöst. Und wie es aussieht, wird sich das 2016 weiter fortsetzen. Seit Beginn der Aufzeichnungen vor der Industrialisierung ist es auf der Erde bereits ein Grad Celsius wärmer geworden.
Wein aus Skandinavien?
Manche Menschen werden sagen, wärmere Winter seien - gerade in Zentraleuropa - ein Segen. Weniger Menschen sterben an der extremen Kälte und die Zeit, in der Landwirtschaft betrieben werden kann, verlängert sich. Angesichts der globalen Erwärmung wird es beispielsweise immer wahrscheinlicher, dass man bald auch Weintrauben in Skandinavien ernten und einen guten Tropfen aus dem hohen Norden genießen kann.
Auch wenn man der Erderwärmung ein paar Lichtblicke abgewinnen kann, so sieht es im Großen und Ganzen gar nicht gut aus. Wie es die vergangenen Jahre bereits gezeigt haben, sind auch immer mehr heftige Stürme und Überschwemmungen die Folge des Klimawandels, ebenso wie verlängerte Hitze- und Trockenperioden.
Diese extremen Klimaphänomene zerstören Ökosysteme. Und sie zerstören Systeme, von denen wir Menschen abhängig sind: Nahrungsmittelproduktion, Wasserversorgung und saubere Ozeane.
Während der Klimawandel auf der ganzen Welt weiter voranschreitet, werden wir die Folgen dieses gewaltigen Experiments, das wir Menschen mit der Erde durchführen, immer direkter zu spüren bekommen.
Vergangene Woche berichtete ich über die Klimaverhandlungen in Paris. Und die Absurdität der ganzen Situation erschlug mich fast: Wie können Menschen über die Temperatur unseres Planeten verhandeln?
Weltweit waren viele erfreut über das in Paris beschlossene 1,5-Grad-Celsius-Ziel. Aber man stelle sich einmal vor: Wenn das, was wir derzeit durchmachen, ein Grad ist, was wird ein weiteres halbes Grad dann mit unserem Planeten machen?
Über das Klima zu verhandeln, ist nicht nur absurd, sondern auch noch arrogant. Unzählige Arten und Menschenleben stehen auf dem Spiel. Wenn die globale Gemeinschaft wirklich Verantwortung übernehmen möchte, müssten wir in genau diesem Moment aufhören, fossile Brennstoffe zu nutzen.
Vielleicht werde ich meinen Enkeln eines Tages erzählen, wie es war, damals mit Schnee.
Vielleicht sind meine Klagen aber auch voreilig - vielleicht wird das Wetter sich in genau die entgegengesetzte Richtung bewegen und wir werden extreme Schneestürme erleben. Vielleicht sogar im Sommer.
Vielleicht wird das Abschmelzen von Grönlands Eisschild uns in eine neue Eiszeit werfen, wie manche vorhersagen. Bis ich das weiß, bleibt mein Schlitten im Keller und ich vermisse weiße Winter.