Der Echo wird abgeschafft. Die vom Bundesverband Musikindustrie am Mittwoch bekanntgegebene Entscheidung ist die logische Konsequenz der Debatte über die Auszeichnung der Rapper Kollegah und Farid Bang. Der Musikpreis hatte sich allerdings schon lange davor abgenutzt.
Der Echo ist nie mehr gewesen als eine Selbstinszenierung der Musikbranche auf der verzweifelten Suche nach Glamour. Auf der Website des Verbands ist zu lesen, der Echo stehe in einer "Reihe mit großen internationalen Auszeichnungen wie den Grammys oder Brit Awards". Diese Behauptung ist von einer beispiellosen Anmaßung. Hätte der Echo diesen Stellenwert je besessen, würden nun nicht die plump-kalkulierten Texte zweier Rapper sein Ende besiegeln, die eine allzu sorglose Jury als preiswürdig erachtet hat.
Zwei Wochen zu spät bemerkt
Zwei Rapper, die weder raffiniert mit Sprache umgehen noch einen besonderen Reimflow haben und ihrer Berufsbezeichnung folglich gar nicht gerecht werden, trafen auf ein Entscheidungsgremium, das nicht über ihren Vergleich des eigenen Körperfettanteils mit dem von Auschwitz-Insassen gestolpert ist; oder über die Frauen verachtenden Zeilen; oder über homophobe Passagen.
Deutschland brauche als drittgrößter Musikmarkt der Welt weiterhin Musikpreise, heißt es nun in der Erklärung der Musikindustrie zum Echo-Aus. Allerdings dürfe ein Preis "keinesfalls als Plattform für Antisemitismus, Frauenverachtung, Homophobie oder Gewaltverharmlosung wahrgenommen" werden. So sehr die Veranstalter damit inhaltlich auch richtig liegen, so ratlos lässt einen die Frage zurück, warum sie das nicht zwei Wochen eher bemerkt haben, rechtzeitig vor der Preisverleihung.
Aufmerksamkeit für die Rapper, aber auch für den Echo
Es braucht sehr viel Fantasie, um sich vorstellen zu können, dass wirklich niemand aus den zuständigen Instanzen gesehen haben will, welche Signale die Auszeichnung dieser Musiker aussenden würde. Ihre auf fragwürdigen, rein kommerziellen Kriterien basierende Nominierung zuzulassen, ist das Eine. Der Zorn wäre längst erloschen, hätten Kollegah und Farid Bang den Echo nicht auch noch mit nach Hause nehmen dürfen. Die Entscheidung, ihnen den Preis tatsächlich zu übergeben, haben Mitglieder einer Jury getroffen. Es ist anzunehmen, dass sie dies bei vollem Bewusstsein taten.
Vielleicht kam der Skandal um Kollegah und Farid Bang dem Echo ganz gelegen. Die Veranstaltung musste sich in den vergangenen Jahren immer wieder ihre Bedeutungslosigkeit vorwerfen lassen, selbst in Musikmagazinen. Der diesjährige Eklat hat der Echo-Verleihung mehr Aufmerksamkeit beschert, als sie jemals zuvor hatte. Die Auszeichnung zweier umstrittener Rapper mag da ein schlichtes Kalkül gewesen sein, dessen Wirkung die handelnden Personen unterschätzten: Antisemitismus, so schien es fast, ist gesellschaftsfähig.
Der Tabubruch wurde zum Bumerang. Die Kunstfreiheit, hinter der sich erst die Rapper und schließlich auch die Mitglieder des Echo-Ethikrats versteckten, ist kein Selbstzweck. Man kann diskutieren, warum sich Alben mit solchen Inhalten hunderttausendfach verkaufen, gerade weil einige Zuhörer die Inhalte vermutlich dogmatischer auffassen als die auf größtmögliche Aufmerksamkeit abzielenden Musiker. Die Auszeichnung mit einem Musikpreis ist aber der falsche Anstoß, um diese Diskussion zu führen.
Seit in den vergangenen beiden Wochen Preisträger ihre Echos aus Protest gleich reihenweise zurückgaben, räumten die Verantwortlichen ihren Fehler ein. Es sind die Krokodilstränen einer geldgeilen Industrie mit überschaubaren Selbstreinigungsprozessen: Solange sich etwas verkauft, legt sie die Kopfhörer kurz beiseite, wenn es eklig wird. Der Branchenriese BMG hat gerade angekündigt, die Zusammenarbeit mit Kollegah und Farid Bang ruhen zu lassen. Vermutlich hat das Zählen der Einnahmen so viel Zeit in Anspruch genommen, dass keine mehr übrig war, um zu hören, mit welcher Musik man sie verdient.
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