Kommentar: Mehr war nicht zu erwarten
9. Oktober 2012Es war gut, dass Angela Merkel die vor kurzem eingegangene Einladung des griechischen Ministerpräsidenten Antonis Samaras nach Athen umgehend angenommen hat. Und das, obwohl ebenjener Samaras noch vor gar nicht langer Zeit die Kanzlerin zur Weißglut getrieben hatte. Damals war er noch Oppositionsführer und sabotierte alle Reformbemühungen der Vorgängerregierungen. Trotzdem, und obwohl viele Griechen Angela Merkel für die Lage in ihrem Land mitverantwortlich machen und einige sie in die Nähe der Nazi-Besatzer rücken, hat sie nicht gezögert, nach Athen zu reisen.
Der Besuch war ein atmosphärisch wichtiges Zeichen der Solidarität an die Griechen. Mit dem, was Angela Merkel in Athen öffentlich sagte, hat sie das in ganz hervorragender Weise zum Ausdruck gebracht. Mehr war der Besuch aber auch nicht, er konnte es nicht sein. Denn es ist Sache der griechischen Regierung und des griechischen Parlaments, Reformen umzusetzen, die das Land wieder kreditwürdig machen. Es ist Sache der Troika aus Internationalem Währungsfonds, Europäischer Zentralbank und EU-Kommission, diese Reformen zu bewerten. Erst wenn deren Empfehlung vorliegt, ist Merkel wieder gefragt. Dann muss sie zusammen mit den anderen Staats- und Regierungschefs der EU über neue Hilfsmittel für Athen entscheiden, und sie muss ihr Parlament in Berlin überzeugen.
Angesichts dessen war Merkels Besuch in Athen auch ein Zeichen an die Deutschen: Die Griechen haben es nicht verdient, dass Politiker und Medien mit leichtfertigen Bemerkungen ihre Gefühle verletzen. In diesen schweren Zeiten haben sie vielmehr Mitgefühl verdient. Und Unterstützung - vorausgesetzt, sie schaffen selbst die Bedingungen, unter denen die Hilfe auch helfen kann.