Am Donnerstag hatte sich mal wieder diese Art von Endzeitstimmung im Regierungsviertel breit gemacht: Der Chef des Inlandsgeheimdienstes hatte der Kanzlerin mehrfach offen widersprochen, es ging - worum sonst? - um die Flüchtlingspolitik. Grob gesagt ist die Rollenverteilung wie folgt: Verfassungsschutz-Chef Maaßen findet Recht und Ordnung bedroht, weniger durch Rechtsextreme und Nazis als vielmehr durch die ungeregelte Zuwanderung. Sieht sein Chef, der Innenminister Seehofer von der CSU, auch so. Sieht die Kanzlerin nicht so. Auch die SPD nicht, die einem Tag lang vehement die Entlassung von Maaßen fordert. Dann folgt ein Krisengipfel im Kanzleramt, am Ende wird die Personalie Hans-Georg Maaßen vertagt - bis Dienstag.
Rücktritt? Wenig wahrscheinlich
Frage Nummer Eins: Was soll in vier Tagen anders sein? Der Konservative Maaßen hat sein Leben lang für das gekämpft, was er unter Recht und Ordnung versteht. Zuletzt tat er das mit reichlich ungeschickten Mitteln. Offenbar hoffen die Regierungsparteien, dass Maaßen bis Dienstag aufgibt, zurücktritt und damit die Regierung rettet. Das ist wenig wahrscheinlich.
Frage Nummer Zwei: Geht es wirklich noch um diese eine Personalie? Geht es nicht vielmehr um den Kern dieser Regierung? Darum, dass sie in der zentralen Frage, der Asylpolitik, keine gemeinsame Linie findet? Wer wo steht, ist nicht immer ganz klar, aber das sie nicht zusammen können, dass ist offensichtlich. CSU und weite Teile der CDU wollen einen harten Kurs fahren in der Ausländerpolitik, weil sie glauben, nur so die Rechtspopulisten im Zaun halten zu können. Merkel will einfach weiterregieren. Die SPD würde lieber heute als Morgen dieses ganze Elend beenden, kann aber nicht, weil Neuwahlen für sie in einer noch größeren Katastrophe münden würden.
Schussfahrt in Panik
Das alles klingt nach Panik und Schussfahrt ohne Ziel und ist so auch. Und wird sich noch weiter zuspitzen. Es kommen: Die Landtagswahl in Bayern und die in Hessen. Prognose: Die alten Parteien werden weiter abgestraft, vor allem die Regierungsparteien CDU, CSU und SPD. Die AfD legt zu. Im nächsten Jahr wird in einigen ostdeutschen Ländern gewählt, und dort ist die AfD in einigen Umfragen schon jetzt an der CDU vorbeigezogen.
Ab und an ist in den Debatten des Bundestags in dieser Woche mal für einen kurzen Moment ein Ausweg aus dieser Situation aufgeblitzt: Wenn mutige Redner den Rechtspopulisten von der AfD ihren Hass auf Ausländer entgegenhalten, ihre Kumpanei mit Rechtsextremen und Nazis belegen. Und wenn dabei die Parteigrenzen überwunden werden. Und die demokratischen Teile des Parlaments zusammenhalten und den Rechtsstaat resolut verteidigen, die Gewaltenteilung.
Die echten Probleme anpacken
Diese Kräfte in allen Parteien, auch bei den Linken, müssen jetzt bereit sein, an diesem Punkt die gleiche Sprache zu sprechen. Und bereit sein, auch zusammen zu regieren. Um dann die Wohnungsnot zu bekämpfen, die Pflege zu regeln, das Land digital in Schuss zu bringen. Also die wirklichen Probleme zu lösen. Und ja: Mit den Bürgern über ihre Ängste zu reden, was die Zuwanderung angeht. Aber nur, wenn sie nicht mit Menschen mitlaufen, die den Hitler-Gruß zeigen oder jüdische Restaurants überfallen.
Ja, das wär's, so könnte es gehen. Aber im Moment sieht es nicht danach aus. Am Dienstag wird dann wohl wieder ein Hauch von Endzeitstimmung über dem Regierungsviertel liegen. Oder irgendwo in Deutschland gibt es wieder Gewalt und Gegengewalt und die Liste Chemnitz, Köthen wird verlängert.
Oder aber: Deutschland rafft sich auf. Es zeigt sich eine Gesellschaft, die klar macht, dass sie sich nicht von rechtsextremen Demokratie- und Ausländerhassern durchs Dorf treiben lassen will. Und die Parteien, die sich auf ihren gemeinsamen Kern besinnen. Hoffen wird man ja noch dürfen.