Neue Russland-Politik mit der FDP
Es ist Wahlkampf und der FDP-Chef ist sich selbst der nächste. Wer die Russland-Sanktionen lockern will, trifft in Deutschland auf offene Ohren, findet doch eine Mehrheit der Deutschen, dass die Sanktionen mindestens entschärft, wenn nicht sogar komplett aufgehoben werden sollten. Vor allem die Anhänger von Linkspartei und AfD plädieren dafür, aber auch die Anhänger von Union, SPD und Grünen sind mehrheitlich zumindest für eine teilweise Aufhebung der Strafmaßnahmen gegen Russland.
Keil in der Sanktionsphalanx
Gleichzeitig spielt Lindner aber auch dem russischen Präsidenten in die Hände: Mit seinem Anliegen, Putin "das Gesicht wahren zu lassen" und dafür in Vorleistung zu gehen, verschiebt er Ursache und Wirkung. Nicht die Sanktionen sind die Aggression, sondern das Vorgehen Russlands: die Annexion der Krim und die massive Unterstützung der Separatisten in der Ostukraine. Es gilt: Solange Russland daran nichts ändert, bleiben die Sanktionen. Dazu stand der Westen bisher, mit einer mühsam gehaltenen Position zwar, aber er stand. Jedenfalls die vergangenen drei Jahre.
Der Alleingang der USA in der vergangenen Woche treibt einen Keil in die Einheit: Washington hat neue Sanktionen im Energiesektor verhängt und trifft damit unter Umständen auch europäische Firmen. Ein deutscher Politiker, der sich vielleicht als künftiger Außenminister sieht und gleich mal die bisherige Linie von Kanzleramt und Außenministerium verlässt, ist zwar nur ein kleiner weiterer Schlag - im Kreml aber wird das sicher wohlgefällig aufgenommen. Anders bei den Betroffenen: Bevor Lindner von der völkerrechtswidrig annektierten Krim als einem "dauerhaften Provisorium" spricht, hätte er mal die Krim-Tataren fragen sollen, wie es ihnen geht. Oder wenn er Wege "raus aus der Sackgasse" aufzeigen möchte, hätten ihm die Familien der getöteten Ukrainer im Osten des Landes sicher Hinweise geben können. Aber um die geht es Christian Lindner nicht.
Alles für den dritten Platz bei der Wahl
"In Wahrheit habe ich ausgesprochen, was viele denken." Das ist ein Satz aus dem Handbuch für Populisten, gesprochen vom Spitzenkandidaten der deutschen Liberalen, der FDP. Christian Lindner, der sich in seiner Wahlwerbung als zupackend, jung und modern präsentiert, greift zum Mittel des inszenierten Tabubruchs. Ein Klassiker: Lindner macht sich zum volksnahen Anwalt, um sich beim zu erwartenden - und eingetretenen Gegenwind - flugs in die Rolle des missverstandenen Opfers der politischen Korrektheit und der Gutmenschen zu begeben. Wirklich spannend, so Lindner, sei bei der Bundestagswahl nur die Entscheidung über den dritten Platz zwischen Grünen, Linken, der AFD und seiner FDP. Da sind seine außenpolitischen Einlassungen doch eine echte Entscheidungshilfe.
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