Kommentar: Höchste Zeit
28. Mai 2013"New Deal" heißt als Redewendung im Englischen soviel wie: die Karten neu mischen. Doch schon seit den 1930er Jahren ist der Begriff in den USA auch Synonym für erfolgreiche Wirtschafts- und Sozialreformen. Damals hatte US-Präsident Franklin D. Roosevelt den New Deal als Antwort auf die Weltwirtschaftskrise durchgesetzt - mit großem Erfolg: Die eingeleiteten Reformen linderten die größte Not und gaben einer verunsicherten Generation neuen Mut. Und: Trotz Weltwirtschaftskrise blieben die USA - im Unterschied zu Deutschland - auf dem Pfad der Demokratie.
Verlorene Generation
Heute geht es um Ähnliches, denn in der Europäischen Union ist von den jungen Arbeitskräften unter 25 Jahren jeder Vierte ohne Job oder Ausbildungsstelle. In Griechenland und Spanien gar jeder Zweite. Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat eine junge entmutigte Generation hervorgebracht. Denn, wo gespart wird, da wird auch weniger ausgebildet, weniger beschäftigt, weniger konsumiert. Da gehen Arbeitsplätze verloren.
Diese Jungen haben selbst einiges geleistet, sie sind gut ausgebildet und bleiben doch ohne Perspektive. Eine verlorene Generation. Eine Generation, die kein Vertrauen mehr hat in das soziale und politische System, das unter Europas Dach entstand. Ein System, das sie eigentlich - so jedenfalls die Absichtserklärungen - vor Ausgrenzung oder Armut schützen soll.
"Europa" das ist für viele junge Leute eine Enttäuschung: Es hat seine Glaubwürdigkeit verspielt. Und damit steht indirekt die Frage im Raum, ob sich das europäische Modell, das auf den Grundwerten Gerechtigkeit und Freiheit beruht, in Zukunft wird behaupten könne. Ein guter Grund, um schnell zu handeln und nicht nur Absichten zu formulieren.
Europas Glaubwürdigkeit steht in Frage
Beim Beschäftigungsgipfel in Paris waren sich alle einig: Europas Jugend braucht Arbeit. Mehr und bald! Der "New Deal for Europe" soll das bringen. Jetzt ist es wichtig, dass der New Deal schnell und spürbar bei den Jugendlichen ankommt. Das ist beileibe nicht nur eine beschäftigungspolitische oder wirtschaftliche Frage.
Die jüngsten Unruhen im bisherigen Modell-Sozialstaat Schweden zeigen: Wo Ausgrenzung und Armut herrschen, wo keine Perspektiven bestehen - da droht schlicht Gewalt. Dann verliert die Demokratie an Boden und an Beteiligung - wie der Rückgang der Wahlbeteiligung in den neuen Beitrittsländern zur EU zeigt. Dann gewinnen populistische und radikale Ideen Anhänger - ein Blick nach Ungarn mag genügen.
Gibt Europa eine ganze Generation verloren, dann steht nicht zuletzt auch die europäische Idee infrage, denn diese gründet auf den Grundwerten Gerechtigkeit und Freiheit. Und sie geht von der Idee aus, dass überall in Europa vergleichbare und gute Perspektiven für Leben und Arbeit bestehen. Dass Europa nicht in unterschiedliche Entwicklungszonen zerfällt, so wie im Augenblick.
Insofern ist eine Lösung der Frage nicht nur für die betroffenen Jugendlichen existenziell wichtig, sondern auch für Europa. Es gilt Glaubwürdigkeit wieder herzustellen und dafür zu werben, dass die europäische Idee eine Idee mit Zukunft ist. Kurz: endlich etwas zu tun!
Punkte im Wahlkampf
Der Gipfel in Paris produzierte Absichtserklärungen. Doch immerhin: Die wurden mit einer Stimme vorgetragen und auf hoher politischer Ebene verankert. So nahmen Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und sein französischer Kollege Pierre Moscovici an dem Gipfel teil. Aus den bisher sechs Milliarden Euro, welche die Europäische Union bis 2020 für Beschäftigung geplant hat, sollen 60 Milliarden Euro werden. Frankreich und Deutschland treten bei dem Thema als Tandem auf. Das ist selten genug. Doch jetzt hat es einen guten Grund: Denn auch wenn das Thema bisher nur halbherzig und langsam angegangen wurde, so taugt es doch als populäres Thema in den jeweiligen Ländern. Frankreichs Sozialisten beanspruchen das Thema "Arbeit" ohnehin gerne für sich, und in Deutschland soll das Thema für Punkte sorgen im Bundestagswahlkampf.