Kommentar: Nicht mehr als ein Abnicken
28. März 2006An staatsbürgerlichen Appellen hatte es nicht gefehlt in den letzten Tagen vor der israelischen Parlamentswahl. Wenn die Wahlbeteiligung dennoch auf einem historischen Tief angelangt ist, dann dürfte dies besser als jede akademische Untersuchung beweisen, dass die Israelis ihr Vertrauen in die Politik verloren haben. Vor allem das Vertrauen, dass die Politiker schon noch in der Lage sein würden, die großen Probleme des Landes zu lösen.
Eine echte Lösung des Hauptproblems jedenfalls scheint niemand zu sehen: Israel und die Palästinenser sind heute weiter voneinander entfernt als in den letzten Jahren und wenn nun in Ramallah und Gaza die islamistische "Hamas" regieren wird, dann dürfte auf absehbare Zeit auch noch die letzte Hoffnung schwinden, dass eine neue Annäherung vielleicht doch möglich sein würde.
Griff in die Trickkiste
Und wenn schon keine Annäherung, dann eben die physische Trennung voneinander. Ein Konzept, das noch aus der Trickkiste früherer israelischer Regierungen stammt, nun aber von Wahlsieger Olmert konsequent umgesetzt werden soll: Wo heute die monströse Trennmauer zwischen Israel und der Westbank verläuft, da soll die künftige Grenze gezogen werden. Israelische Siedlungen sollen dafür aufgelöst und Tausende von Siedlern umquartiert werden. Vor allem aber: Die Palästinenser bekommen einen Flickenteppich, auf dem sie wohl kaum ihren eigenen Staat errichten können.
Nationalistische Israelis wie die vom "Likud" oder der hauptsächlich aus russischen Einwanderern zusammengesetzten Partei "Unser Haus Israel" lehnen diese Idee strikt ab, aber sie können ihr nichts Überzeugendes entgegensetzen. Und wenn die anderen Wähler auch ihre Zweifel hatten, ob eine unilaterale Grenzziehung die Lösung bringen wird: Sie haben ihr doch zugestimmt, denn andere und bessere Vorschläge wurden ihnen nicht gemacht. Und wenn man schon nicht in Frieden mit den Palästinensern leben kann so offenbar das Kalkül vieler Wähler – dann will man doch wenigstens "in Ruhe" vor den Palästinensern leben.
Kein mutiger Schritt
Sicher eine grobe Fehleinschätzung. Denn das hatte man in Israel ja doch eigentlich schon längst eingesehen und das hatte einst selbst der heute im Koma liegende Ariel Scharon verkündet: Die Palästinenser können nicht auf Dauer unter Besatzung gehalten werden und sie haben ihr Recht auf einen eigenen Staat, der auch in internationalem Konsensus unterstützt wird.
Die Wahl von Olmerts "Kadima"-Partei war kein mutiger Schritt in Richtung auf einen Neubeginn des Friedensprozesses. Sie war eher das halbherzige Abnicken eines Plans, der kaum auch nur die geringsten Erfolgaussichten haben dürfte. Olmert muss sich nun Koalitionspartner suchen, die diesen Plan wenigstens halbwegs unterstützen. Aber keine Partei ist wirklich voll davon überzeugt. Mangelndes Vertrauen auf Seiten der Politik wie auch des Wählers ist aber eine denkbar schlechte Voraussetzung für das Gelingen der zu bildenden neuen Regierung. Die Freude Olmerts über seinen Wahlsieg dürfte sich in Grenzen halten.