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Dem Terror die kalte Schulter gezeigt

Thomas Mösch29. März 2015

Noch stehen die Ergebnisse der Präsidentenwahl in Nigeria nicht fest. Der Wahltag brachte technische Pannen, aber auch Gewalt. Dennoch ist der Urnengang ein Erfolg, meint Thomas Mösch, und er hofft, dass das so bleibt.

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Wahlbeobachter und wahlhelfer (Foto: DW/Scholz/Kriesch)
Bild: DW/Scholz/Kriesch

Wahltage in Nigeria sind immer für Überraschungen gut. Vor vier Jahren war es die Verschiebung der Parlamentswahl noch am Wahltag selbst, weil die Wahlkommission erkannt hatte, dass alles im Chaos zu versinken drohte. Nigeria hielt den Atem an – und am Ende verliefen die verschiedenen Wahlgänge einigermaßen geordnet und korrekt.

Dieses Mal nun ist das Überraschende, dass es keine Überraschung gab. Wahlleiter kamen an vielen Orten viel zu spät, Wahlurnen und Stimmzettel wurden in manchen Regionen ebenfalls mit großen Verspätungen oder gar nicht angeliefert, die Computertechnik versagte sogar im Wahllokal des Präsidenten. Doch für Nigerianer ist das alles nichts Neues, und die Wahlkommission reagierte entsprechend gelassen: Dann wird halt ohne Computer registriert, bis spät in die Nacht abgestimmt und ausgezählt oder einfach am folgenden Tag ein neuer Versuch gestartet. Ernsthafte Proteste gegen diese eher normalen organisatorischen Probleme gab es weder von der Opposition noch von der Regierungspartei. Ob nun in 300 oder in 350 von 150.000 Wahllokalen am Sonntag ein neuer Anlauf gestartet werden musste, ist nun wirklich egal. In Deutschland wäre der Bundeswahlleiter wohl kaum so flexibel.

Eine Hochburg der Gewalt

Keine Überraschung ist auch, dass es vor allem im Bundesstaat Rivers im Niger-Delta und anderen Bundesstaaten des Südostens zu direkter Gewalt im Zusammenhang mit den Wahlen kam. In Rivers, dessen Hauptstadt die Ölmetropole Port Harcourt ist, war schon der Wahlkampf mit extrem harten Bandagen geführt worden. Traditionell ist die Region eine Hochburg der Regierungspartei PDP, die hier bei früheren Wahlen in einigen Distrikten auch schon mal mehr als 100 Prozent der registrierten Wählerstimmen einfahren konnte. Seit dem Übertritt des dortigen Gouverneurs zum Oppositionsbündnis APC von Muhammadu Buhari standen die Zeichen auf Sturm. Schließlich kommt Präsident Goodluck Jonathan aus dem Nachbarstaat Bayelsa. Wenn nicht hier im Niger-Delta, wo sonst sollte er eine sichere Stimmenbasis haben? Auch bei früheren Wahlen war das Delta eine Hochburg der Gewalt an Wahltagen: Bewaffnete Überfälle, Diebstahl von Wahlurnen und mehr oder weniger öffentliches Füllen von Wahlurnen mit vorbereiteten Stimmzetteln waren an der Tagesordnung.

Thomas Mösch (Foto: DW)
DW-Haussa-Redakteur Thomas MöschBild: DW

Trotz Todesgefahr zur Wahl

Wenn überhaupt, dann war die Überraschung an diesem Wahltag die relative Ruhe im Norden des Landes. Noch in den vergangenen Wochen hatte es mehrere Selbstmordattentate auf Märkte und Busbahnhöfe in Großstädten gegeben. Die Terrorgruppe Boko Haram hatte geschworen, die Wahlen des verhassten Zentralstaates auf keinen Fall zuzulassen. Ja, es gab einige Überfälle auf Wähler und Wahllokale. Bis zu 40 Tote sind schlimm, doch angesichts der Massaker und Drohungen der vergangenen Wochen ist dies doch eher Anlass zum Aufatmen. Dabei hätten die Massen von Wählern, die gerade auch in den vom Terror besonders betroffenen Nordosten des Landes zu den Wahlurnen strömten, leichte Ziele abgegeben. Es ist das Beeindruckendste an dieser Wahl, dass die Menschen dort trotz Todesgefahr zur Wahl gingen. Selbst diejenigen, die die Angriffe von Boko Haram am Samstag überlebt haben, sollen danach unbeirrt ihren Weg zum Wahllokal fortgesetzt haben. Die Nigerianer haben an diesem Tag ein deutliches Zeichen gegen den Terror gesetzt.

Richtige Entscheidung

Im Nachhinein erweist sich auch die Verschiebung der Wahl um sechs Wochen als richtige Entscheidung. Zum einen dürfte es der Glaubwürdigkeit der Wahl guttun, dass die Wahlkommission Zeit hatte, die im Februar noch längst nicht überall vorhandenen Wählerausweise weiter zu verteilen. Zum anderen hat die nigerianische Armee endlich – offensichtlich auch unter dem Druck der Nachbarländer – die seit langem ersehnte Großoffensive gegen Boko Haram gestartet und die Terroristen tatsächlich aus allen größeren Orten vertrieben. Trotzdem bleibt die Frage offen, warum dafür erst die Wahlen verschoben werden mussten.

Leider zeigt die Erfahrung, dass ein halbwegs friedlicher und erfolgreicher Wahltag in Nigeria noch lange kein friedliches Ende bedeutet. Entscheidend sind die kommenden Tage, wenn die Ergebnisse verkündet werden. Vor vier Jahren kosteten Unruhen nach der Wahl, die offensichtlich von interessierten Kreisen im Norden des Landes geschürt worden waren, bis zu 1000 Menschen das Leben. Die große Masse der Nigerianer will keine Gewalt, weder aus religiösen noch aus politischen Gründen. Bleibt zu hoffen, dass die Politiker diesen Wunsch dieses Mal respektieren.