Mehr als peinlich
22. September 2014"Von der Leyen bittet Bundeswehr-Soldaten um Ebola-Einsatz" titelten die Nachrichtenagenturen am Montagmorgen. Wie bitte? Die deutsche Verteidigungsministerin bittet beim Morgenappell um Freiwillige zur Bekämpfung einer globalen Katastrophe, die der UN-Sicherheitsrat zu einer Bedrohung für den Weltfrieden erklärt hat? Ausgerechnet die Verteidigungsministerin Deutschlands - des Landes, das Anforderungen seiner Partner nach militärischem Flankenschutz in den Krisen- und Kriegsgebieten dieser Welt gerne mit dem Hinweis auf großzügige humanitäre Hilfe kontert!
Zwar hat Deutschland bislang 17 Millionen Euro für den Kampf gegen Ebola bereitgestellt. Doch mit Geld allein ist der Kampf gegen die grassierende Seuche nicht zu gewinnen. Zuvorderst braucht es medizinisches Fachpersonal, an dem es in den betroffenen Gebieten mangelt - nicht zuletzt deshalb, weil sich viele einheimische Ärzte mutig und ohne ausreichende Schutzkleidung dem aggressiven Virus in den Weg gestellt haben. Und sich dabei, wie Sierra Leones fähigster Ebola-Experte, tödlich infiziert haben.
Deutschland ist für die Hilfe prädestiniert
Mit seinen weltbekannten Virologie-Zentren ist Deutschland wie kein anderes Land prädestiniert, nicht nur in Forschung und Lehre an den Standorten Hamburg und Frankfurt, sondern gerade vor Ort in Westafrika zu helfen. Zugegeben - einiges ist inzwischen ins Laufen geraten: Luftbrücken, Isolierstationen, Ausbildung für lokales Personal. Freilich bedurfte es erst eines Bittbriefes der liberianischen Präsidentin Johnson-Sirleaf an Bundeskanzlerin Merkel, um den Druck von Öffentlichkeit und Medien auf die Regierung zu erhöhen.
Das muss man wissen, um über den Appell der Verteidigungsministerin eines Landes, das sich seit Jahren um einen permanenten Sitz im UN-Sicherheitsrat und damit um mehr Mitsprache in der Weltarena bemüht, aufrichtig entsetzt zu sein. Was spricht eigentlich dagegen, Mediziner oder Medizinstudenten der Bundeswehr abzukommandieren? Denn was passiert, wenn sich keine Freiwilligen melden?
Die Seuche wartet nicht
Derweil tickern auf den Agenturen neue Meldungen: Die dreitägige Ausgangssperre in Sierra Leone hat mindestens 150 neue Ansteckungsfälle und 70 Tote zu Tage gefördert. Trotz aller Appelle verbergen Familien also nach wie vor ihre Angehörigen vor den Seuchenteams - ein sicheres Rezept für eine weitere Ansteckungswelle. Guinea, Sierra Leone und Liberia haben schlicht nicht die Zeit, um wie von der Ministerin angekündigt vier Wochen auf die Umrüstung von Flugzeugen zu warten, die deutsche Helfer im Notfall evakuieren können.
"Das ist eine Frage, die ich unterm Strich, wenn ich wüsste, dass ich geschützt bin, mit Ja beantworten könnte" - so die verschwurbelte Antwort der Ministerin auf die Frage, ob sie selbst in ein Krisenland gehen würde. Es ist befremdlich, dass ausgerechnet von der Leyen, die jahrelang als wissenschaftliche Mitarbeiterin an einem Lehrstuhl für Epidemiologie tätig war, derart zaudert, wenn es nun zum Schwur kommt. War sie es nicht, die in den vergangenen Monaten immer wieder ein stärkeres deutsches Engagement vor allem Afrika angekündigt hat? Nun wäre die Chance da.
Noch mehr Peinlichkeiten aus Deutschland
Zur peinlichen Freiwilligenaktion der Ministerin passen weitere Meldungen: 22 Bordhubschrauber der Bundesmarine sind nicht oder nur begrenzt flugfähig. Damit gefährdet Deutschland den Erfolg der Anti-Piratenmission am Horn von Afrika, wo die Maschinen eigentlich zum Einsatz kommen sollen. Und die Vereinten Nationen gaben unlängst zwei deutsche Transall-Maschinen an Berlin zurück - die Oldtimer seien für den Einsatz im Krisenland Mali nicht tauglich, man wolle lieber Transportflugzeuge aus Ghana leasen!
Die Bundesregierung und ihre Verteidigungsministerin, die derart vollmundig eine aktivere Rolle Deutschlands in der Außen- und Sicherheitspolitik angekündigt haben, stehen blamiert da.