Politische Kommunikation in der Krise
Deutschland vor zehn Jahren galt als ein wirtschaftliches Krisenland. Das änderte sich nach dem Antritt von Angela Merkel als Kanzlerin. Fünf Jahre später war ein neues Biedermeier ausgebrochen: Rückzug ins Private. Innenpolitische Debatten interessierten kaum. Warum auch? Es ging voran, vielen gut und immer besser, trotz der vielen Krisen außerhalb der Landesgrenzen. Die Bundeskanzlerin war beliebt wie ein Star.
Aus dieser Zeit stammt die Idee, mit den Bürgern über sogenannte postmaterielle Werte ins Gespräch zu kommen. Also über all das, was wichtig ist, wenn keine materiellen Sorgen herrschen. Die Regierung rief Bürger-Dialoge als Townhall-Meetings ins Leben.
Nun ist erst Mal Schluss damit, ein Abschlussbericht liegt vor, mit "Indikatoren" und "Dimensionen", die gutes Leben messen sollen. Er wirkt allerdings wie aus der Zeit gefallen. Denn heute bewegt die meisten Deutschen nicht so sehr, wie weit der Weg zum nächsten Hausarzt ist oder wie lange sie zum Arbeitsplatz unterwegs sind. Stattdessen bestimmen Ängste vor Terror, vor radikalem Islam oder um die kulturelle Identität viele Debatten. Und soziale Verteilungskämpfe werden thematisiert.
Dialog mit dem Bürger kein Nice-to-have mehr
Als der Bürgerdialog startete, erklärte Angela Merkel, sie wolle wissen, was die Menschen bewege, denn davon bekomme sie viel zu wenig mit. Der Wunsch nach mehr Dialog klang damals wie ein Nice-to-have.
Heute ist daraus eine ernsthafte Störung in der politischen Kommunikation geworden. Sie zeigt sich in der Klage darüber, die politische Elite hätte sich vom Bürger entfernt. Pegida und AfD können mit diesem Vorwurf Massen mobilisieren. Man hört das aber auch von Zeitgenossen, die politisch ganz anders verortet sind.
Merkels Popularität ist geschrumpft, so sehr, dass man in Teilen der CDU und CSU nicht Mal mehr sicher ist, ob sie die richtige Spitzenkandidatin für die kommende Bundestagswahl ist.
Wie konnte es so weit kommen?
Vor allem die Flüchtlingskrise hat das Vertrauen in die politische Elite und die Massenmedien erschüttert. Das Wort "Lügenpresse" steht exemplarisch dafür. Es bedeutet, dass dem Gegenüber von vornherein nichts mehr geglaubt, oft nicht einmal mehr zugehört wird.
Die ersten Debatten um TTIP und CETA offenbarten eine seltsame Vorstellung von politischem Streit, die sich allein auf Schwarz-Weiß-Denken reduzierte. In den USA wurde diskutiert, dass es auch Verlierer durch den Freihandel geben würde. Politiker der Großen Koalition in Deutschland wollten so etwas nicht hören. Das setzte sich in der Flüchtlingskrise fort: Willkommenskultur versus Ausländerfeindlichkeit - die Grautöne fehlten völlig.
Die Saat dafür hatte die Bundeskanzlerin selbst gelegt, als sie von der ALTERNATIVLOSigkeit ihrer Politik in der Griechenland- und Eurokrise sprach.
Dass die politische Kommunikation in der Krise ist, zeigt sich aber auch andersherum. Deutschland ist ein Hort der wirtschaftlichen Stabilität mit historisch wenig Arbeitslosen, schwimmt in Steuern und hat im Bund mit dem Schuldenmachen aufgehört. Im Zuge der Flüchtlingskrise wurden dutzende Gesetze angepasst, ja das ganze Asylsystem umgebaut. Doch diese Erfolge dringen nicht mehr durch, die Messages kommen bei manchen Bürgern nicht mehr an.
Es braucht neue Rezepte
Die Bundesregierung müsse mehr über das reden, was sie alles tue. Dann werde das Vertrauen schon wieder zurückkommen, kündigte Angela Merkel im Bundestag als Antwort auf die Krise an. Doch das wird nicht reichen.
Mit einem Bürgerdialog jedenfalls, der keine repräsentativen Ergebnisse hervorbringt und bisher praktisch folgenlos blieb, kann das schon gar nicht gelingen. Um mit dem Bürger ins Gespräch zu kommen, dafür braucht es neue Rezepte. Vielleicht eine andere Social-Media-Strategie? Mehr Bürgerentscheide? Weniger Angst vorm "einfachen Bürger"?
Die Zeiten sind härter geworden. Jetzt muss es darum gehen, dass aus der Kommunikationskrise keine dauerhafte Spaltung der Gesellschaft wird. Denn das wäre für die Demokratie eine Katastrophe.
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