Scharfe Töne aus Brüssel
1. September 2008Nach der jüngsten Krise im Kaukasus ist man bei der EU extrem verschnupft. Der Einmarsch in Georgien und die einseitige Anerkennung der Unabhängigkeit Südossetiens und Abchasiens widersprächen sämtlichen internationalen Abkommen, so die Kritik aus der EU-Zentrale. Besonders deutlich formulierte es Hans-Gert Pöttering: Das Handeln Russlands sei in keiner Weise zu rechtfertigen. Die Eskalation im Kaukasus stelle eine seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion nicht mehr dar gewesene Bedrohung für die Sicherheit Europas dar, so der EU-Parlamentspräsident. EU-Ratspräsident Nicolas Sarkozy sprach ebenfalls von einer unverhältnismäßigen Reaktion.
Drohpotenzial?
Ihm standen keine besonders beeindruckenden Mittel zur Verfügung, um Moskau zu drohen. Die Mehrheit der Mitgliedstaaten sprach sich gegen konkrete Sanktionen aus. Damit bleibt das einzige Druckmittel für Brüssel: Die Aussetzung der Gespräche über ein neues Partnerschaftsabkommen mit Russland. Die Verhandlungen über ein solches Abkommen liegen seit zwei Jahren auf Eis. Beim letzten EU-Russland-Gipfeltreffen im Juni einigten sich beide Seiten zwar auf die Grundlagen für ein solches Abkommen, doch nach den jüngsten Ereignissen soll dieses erneut auf den Prüfstand. Sarkozy machte deutlich, dass falls Moskau seine Truppen nicht wie vereinbart auf die Linien vor Ausbruch der Georgienkrise Anfang August zurückziehe, werde es keine Verhandlungen für ein neues Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zwischen der EU und Russland geben.
An wirtschaftlichen Sanktionen gegenüber Russland ist die Mehrheit der EU-Staaten nicht interessiert, denn diese würden nicht nur Russland sondern auch die EU treffen. Wirtschaftlich sind beide Seiten voneinander abhängig. Die EU ist der größte Absatzmarkt für Russland. Und Russland wiederum ist der drittgrößte Handelspartner der Europäischen Union. Vor diesem Hintergrund haben beide Seiten großes Interesse an guten Beziehungen und einem angenehmen Investitionsklima. Die Europäer hängen vor allem am Tropf russischer Energielieferungen. Das macht sie auch immer wieder erpressbar, wie sich zuletzt gezeigt hat, als die Russen im Streit über Transitgebühren mit Weißrussland Anfang 2007 den Ölhahn zudrehten. Diese massive Abhängigkeit muss aufhören. Diese Forderung erhob zu Recht unter anderen der dänische Ministerpräsident Fogh Anders Rasmussen. Er machte sich für den Bau einer Pipeline nach Europa stark, die nicht über russisches Territorium führt.
Signal notwendig
Ob sich Russland von der Kritik aus Brüssel beeindruckt zeigt, ist mehr als fraglich. Einen Rückfall in die Rhetorik des Kalten Krieges kann sich ernsthaft niemand wünschen. Aber ein deutliches Signal an Russland, dass man auch Europa als politische und wirtschaftliche Macht ernst nehmen muss, wäre beim nächsten EU-Russland-Gipfel im November dringend notwendig.