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Schlicht ungeheuerlich

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Jens Thurau
13. Juni 2016

Deutsche Abgeordnete mit türkischen Wurzeln sollten derzeit lieber nicht in die Türkei reisen, rät das Auswärtige Amt. Das ist schlicht eine Ungeheuerlichkeit, findet Jens Thurau.

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Türkei Ankara Protest vor der deutschen Botschaft
Protest vor der deutschen Botschaft in Ankara gegen die Armenien-Resolution des BundestagsBild: Reuters/U. Bektas

Das Auswärtige Amt in Berlin hält es nicht für ratsam, dass türkischstämmige Bundestagsabgeordnete derzeit in die Türkei reisen. Der Grund: Ihre Sicherheit kann nicht garantiert werden. Ihre Verfehlung: Sie haben im Bundestag abgestimmt, allerdings nicht so, wie sich der türkische Präsident Erdogan das vorstellt. Sie haben dafür gestimmt, den Völkermord an den Armeniern vor rund 100 Jahren auch so zu nennen. Daraufhin hat Erdogan angezweifelt, dass die Parlamentarier türkische Wurzeln haben und entsprechende Bluttests verlangt. Seitdem haben sich die Hassmails, die Grünen-Chef Cem Özdemir und die anderen Volksvertreter mit türkischen Wurzeln täglich bekommen, in Art und Umfang noch einmal gesteigert. Am Montag musste Özdemir mit Polizeischutz in ein Fernsehstudio in Berlin gebracht werden. Auch das nichts als eine Ungeheuerlichkeit. Er betonte noch einmal, sich dem Druck nicht beugen zu wollen.

Özdemir verteidigt die Grundrechte

Damit erfüllt Özdemir eine hohe, eine noble Pflicht als Volksvertreter und Bürger, trotz Morddrohungen. Er verteidigt das freie Wort und das freie Mandat, indem er es weiter ausübt. Und besonnen bleibt er auch noch: Natürlich müsse auch Deutschland die Visumpflicht für Türken abschaffen, wenn die Regierung in Ankara ihre Verpflichtungen einhält. Kein Nachkarten also, auch wenn das in diesem Fall mehr als verständlich wäre.

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Jens Thurau, DW-Korrespondent in Berlin

Im Bundestag hat Parlamentspräsident Norbert Lammert am Donnerstag vergangener Woche klare Worte gefunden für das Gebaren des türkischen Präsidenten. Gut so. Aber die Kanzlerin hat es bei einem beifälligen Nicken belassen. Und am Montag hat einer ihrer Sprecher die eher lahme Formulierung der letzten Tage wiederholt, wonach der Druck auf die deutsch-türkischen Abgeordneten "nicht nachvollziehbar" sei. Mehr will die Regierung dem türkischen Herrscher offenbar nicht zumuten. Besänftigen wird sie ihn damit wohl kaum.

Merkel muss Klartext reden

Es spricht nichts gegen Vereinbarungen auch mit Staaten, die politisch anders ticken. Diplomatische Kontakte und zwischenstaatliche Verträge nur vom hohen Ross eines westlich-demokratischen Wertekanons aus zu beurteilen, kann nicht gelingen. Also: Wenn die EU mit der Türkei in der Flüchtlingsfrage kooperiert und die Türkei sich (wie es scheint) an alle Vereinbarungen hält, dann müssen das auch die EU und Deutschland tun, dann muss die Visum-Pflicht fallen. Aber ebenso klar muss sein, dass die Bedrohung von Angeordneten im eigenen Land nicht von außen geschürt werden darf. Und dass jeder einzelne Volksvertreter sich darauf verlassen muss, an diesem Punkt von der eigenen Regierung Schutz zu erhalten. In Wort und Tat.

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