Was waren das nur für Monate mit Horst Seehofer hier in Berlin! Wie sehr der CSU-Chef und Bundesinnenminister Freunde und Feinde, Experten und Journalisten von einer Aufregung in die andere trieb, wird deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass er erst einige wenige Monate überhaupt Minister ist. Gefühlt scheint seitdem eine Ewigkeit vergangen zu sein.
Mitte März war er noch Ministerpräsident in Bayern, danach wechselte er nach Berlin und der Wahnsinn begann. Endlose Debatten über die Asylpolitik. Ultimaten an die Kanzlerin. Rücktrittsdrohungen und deren Rücknahme binnen eines Tages. Und am Ende der absurde und bizarre Streit um den Chef des Verfassungsschutzes, um Hans-Georg Maaßen, der erst befördert, dann versetzt und schließlich doch gefeuert wurde. Auch da stand die Koalition kurz vor dem Bruch - wegen eines Behördenleiters! Und immer im Zentrum: Horst Seehofer, mit einem verwunderlichen Auftritt nach dem anderen. Voller bizarrer, unterschwelliger Vorwürfe an die, die ihn nicht mehr verstanden. Also eigentlich an alle.
Seehofer wollte Recht behalten
Im Kern ging es ihm immer um eines: Recht zu behalten. Schon 2015 hatte er die vergleichsweise liberale Flüchtlingspolitik der Kanzlerin scharf kritisiert, ohne sich durchsetzen zu können. Aber er stichelte und intrigierte wo es ging, und lieferte auf einem CSU-Parteitag ein peinliches Schaustück, als er die Kanzlerin maßregelte wie eine Schülerin.
Und daheim in Bayern folgte ihm seine CSU zunächst auf diesem Krawallkurs, bis sie sehr spät im Landtagswahlkampf erkannte, dass sie auch die eigenen Leute abschreckt. So gerade eben kam die CSU noch einmal davon. Sie kann weiter regieren, aber nicht mehr allein, die "Freien Wähler" müssen helfen. Für Ministerpräsident Markus Söder eine schwere Niederlage, aber auch die Möglichkeit, Seehofer als CSU-Chef abzulösen. Und ihm die Schuld für das Desaster zuzuschieben. Dieser Teil des Schreckens hat dann ein Ende gefunden.
Sein letztes Ziel: Merkel geht mit ihm
Doch Seehofer möchte wohl übergangsweise noch Innenminister bleiben. Warum er sich das noch antut im ungeliebten Berlin, ist offensichtlich: In Seehofer tobt immer noch der Kampf gegen Merkel ums Rechthaben. In seiner Verbitterung will er möglichst erst dann gehen, wenn sie es auch tut. Seine Chancen stehen gar nicht so schlecht: Denn um Seehofer zu entlassen, fehlt Merkel die Kraft. Ihre ohnehin schwer angeschlagene Regierung würde in die nächste Krise schlittern.
Vor vielen Jahren war Horst Seehofer ein engagierter Sozialpolitiker, ein versierter Experte der Gesundheitspolitik, ein überzeugter Konservativer. Fest verankert in Bayern und der CSU. Lang, lang ist's her. Zuletzt hat er allen nur noch geschadet: Seiner Partei, dem Land, der politischen Kultur. Und sich selbst. Das alles hat eine große Tragik. Auch persönlich.