Starkes Urteil
31. Oktober 2007Einer der mutmaßlichen Drahtzieher jedoch, der Ägypter Rabei Osman el Sayed und sieben weitere Angeklagte wurden in Ermangelung an Beweisen freigesprochen. So wie das in einem Rechtsstaat sein muss. Und trotzdem besticht das Urteil durch seine Differenziertheit und das Augenmaß. Spaniens Justiz ist trotz der Ungeheuerlichkeit des Verbrechens nicht blind geworden und das, obwohl das Land damals die gleiche traumatische Erfahrung machte, die Amerika drei Jahre zuvor erleben musste.
Kein Raum für Verschwörungstheorien
Der islamistische Terror war nun auch in Europa angekommen. Dabei schien es zunächst so, als habe das vom baskischen Terror der ETA ohnehin geplagte Land nur eine völlig neue Dimension des Schreckens erlebt. So jedenfalls wollte es die damals regierende Konservative Volkspartei dem Wähler Glauben machen in der Hoffnung, die bevorstehenden Parlamentswahlen gewinnen zu können.
Das gefährliche Täuschungsmanöver ging nicht auf: Die Sozialisten gewannen die Wahl und der nun abgeschlossne Prozess hat auch keinen Raum mehr gelassen für irgendwelche Verschwörungstheorien, die in dem Anschlag immer noch die baskische ETA im Verbund mit arabischen Islamisten am Werke sahen.
Einwandfreier Prozess
Der Ermittlungsbericht des Untersuchungsrichters, der dem Schuldspruch zugrunde liegt, war solide. Über 25 Monate lang hatte er recherchiert und mehr als dreihundert Zeugen und über 60 Sachverständige befragt. Auf fast 90.000 Seiten hatte der Ermittler den Staatsanwälten sein Belastungsmaterial präsentiert.
Dass die Richter nun doch in mehreren Fällen deutlich unter dem geforderten Strafmaß blieben, ist umso bemerkenswerter und ein Indiz für einen rechtsstaatlich einwandfreien Prozess. Hier wurde nicht leichtfertig entschieden, sondern in einem schwierigen Verfahren juristisch sauber getrennt und der Versuchung widerstanden angesichts der emotionalen Anteilnahme einer ganzen Nation primitiven Rachegelüsten nachzugeben. Anders als in den Militärtribunalen im US-Gefangenenlager von Guantanamo hatte jeder der Angeklagten einen Strafrechts-Verteidiger und alle prozessualen Hilfsmittel zur Verfügung bis hin zu ausreichender Gelegenheit zum eigenen Plädoyer.
Wichtiger Dienst für weltweite Terrorbekämpfung
Das Verfahren war zu jeder Zeit öffentlich und transparent. Es dauerte 57 Verhandlungstage, unerträglich lange für die Angehörigen der Opfer. Doch es beweist, dass man ganz bewusst nichts überstürzen wollte. Rechtsbeugung und eine schnelle Aburteilung dürfen auch in Terroristenprozessen kein Mittel sein. Die grotesk hohen Haftstrafen für einige der Hauptangeklagten erklären sich aus der Rechtstradition des Landes, in dem das einzelne Strafmaß sich durch die Zahl der Opfer akkumuliert.
De Facto wird aber wohl keiner der Angeklagten länger als vierzig Jahre hinter Gitter sitzen. Ob dadurch ein Verbrechen dieses Ausmaßes gesühnt werden kann, erscheint zweifelhaft. Die körperliche und seelische Not der verletzt Überlebenden wird diese in vielen Fällen lebenslänglich begleiten. Dennoch hat Spanien der weltweiten Terrorismusbekämpfung einen wichtigen Dienst erwiesen. Das Land, welches in Europa geographisch und historisch die meisten Schnittstellen zum islamischen Kulturraum hat, konnte unter Beweis stellen, dass es auf die terroristische Herausforderung angemessen reagiert. Mit sauberer polizeilicher Ermittlungsarbeit und einem strafrechtlich einwandfreien Prozess. Dazu gehört auch ein Urteil, das Schuldige von Unschuldigen trennt und das an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lässt.