In Geheimdienstkreisen gilt der Whistleblower Edward Snowden als Verräter, Bürgerrechtler hingegen verehren den ehemaligen Mitarbeiter der National Security Agency (NSA). Die einen werfen ihm vor, mit seinen Enthüllungen über das globale Ausspähen der Telekommunikation Terroristen in die Hände gespielt zu haben. Die anderen feiern ihn dafür, der Welt die Augen für das unfassbare Ausmaß staatlicher Überwachung geöffnet zu haben. In diesem Spannungsverhältnis versuchte der NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages gut drei Jahre lang den größten transatlantischen Geheimdienst-Skandal aufzuarbeiten. Nun hat er unter hässlichen Begleitumständen seinen Abschlussbericht vorgelegt.
Das Ergebnis ist - locker formuliert - trotzdem ganz passabel. Allerdings nur in dem Sinne, dass den zerstrittenen Abgeordneten eine bemerkenswert fundierte Schwachstellen-Analyse gelungen ist. Sie haben nachgewiesen, wie lasch die Fachaufsicht des BND durch das zuständige Kanzleramt war. Dass die Bundesregierung die Aufklärung tatkräftig unterstützt hat, lässt sich nicht gerade behaupten. Akten wurden geschwärzt oder gleich ganz verweigert. Zeugen, bis hin zu Angela Merkel, wussten meistens wenig oder gar nichts. Das zu glauben, fällt schwer.
Immerhin gibt es jetzt Rechtssicherheit für den BND
So oder so offenbarten die Aussagen, dass der BND ein erstaunliches Eigenleben führte. Und deshalb die gewährten Freiräume beim Ausspähen der Auslandskommunikation weidlich nutzte. Ihm das verübeln, wäre recht wohlfeil. Er soll Deutschland und seine Bürger schützen - überall. Also zum Beispiel auch Bundeswehr-Soldaten in gefährlichen Auslandseinsätzen. Eine wichtige, eine ehrenwerte Aufgabe - aber lange ohne klare Regeln. Deshalb schoss der BND oft über das hoch gesteckte Ziel hinaus. Nahm in Kauf, dass Personen und Institutionen befreundeter Staaten ausspioniert wurden. Auch Deutsche waren immer wieder darunter.
Das zu verhindern, wäre Aufgabe des Kanzleramtes gewesen. Dort laufen die Fäden für alle Geheimdienste zusammen. Doch statt klarer Vorgaben galt das Prinzip der langen Leine. Dass am Ende BND-Präsident Gerhard Schindler seinen Job verlor und niemand der politisch Verantwortlichen in Merkels Umfeld, hinterlässt einen faden Beigeschmack. Wenn man der ganzen Affäre überhaupt etwas Positives abgewinnen will, dann ist es die inzwischen vom Bundestag geschaffene Rechtssicherheit. Denn als Lehre aus dem NSA/BND-Skandal wurde das Gesetz für den Auslandsgeheimdienst geändert.
Das neue Gesetz ist nur bedingt praxistauglich
Die Ironie dieser Reform besteht darin, dass der BND in der sogenannten Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung jetzt vieles von dem machen darf, was vorher im rechtsfreien Raum passierte oder klar illegal war. Deutsche sollen dabei weitestgehend unbehelligt bleiben. Ein Versprechen, dass niemand einlösen kann. Weil in einer zunehmend globalisierten Welt Mehrsprachigkeit herrscht. Weil Internet-Domains keine verlässlichen Rückschlüsse auf die Herkunft der Nutzer ermöglichen.
Und was passiert mit Ausgespähten, die neben dem deutschen einen zweiten Pass haben? Sind sie durch den einen geschützt und durch den anderen gefährdet?
Schon daran lässt sich erkennen, wie willkürlich und praxisuntauglich auch die Unterscheidung zwischen Deutschen, Bürgern der Europäischen Union (EU) und Angehöriger von Drittstaaten ist. Dass solche Unklarheiten in ein Gesetz geschrieben und beschlossen werden, ist zumindest erstaunlich.
Die Lücke hätte besser geschlossen werden können
Mehr Sicherheit versprechen sich davon all jene, die im Anti-Terror-Kampf nach jedem Attentat schärfere Gesetze verlangen - und sie meistens auch bekommen. Dabei würde es oft reichen, bestehendes Recht konsequent anzuwenden. Der Fall des Berliner Weihnachtsmarkt-Attentäters Anis Amri ist dafür nur das bekannteste und tragischste Beispiel. Das neue BND-Gesetz, unmittelbare Folge des NSA-Untersuchungsausschusses, ist immerhin mehr als Aktionismus. Es wurde eine Gesetzeslücke geschlossen, wo keine hätte sein dürfen. Sie hätte aber wesentlich besser geschlossen werden können.
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