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Starke Kanzler - schwache Kanzler

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Felix Steiner
19. März 2016

Ein guter Kanzler muss nicht nur erfolgreich regieren, sondern auch die eigene Partei zusammenhalten. Das ist nicht allen gleich gut gelungen und manch großer war eigentlich ein schwacher Kanzler, meint Felix Steiner.

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Deutschland Bundeskanzleramt Kanzler Gemälde
Kanzler in Öl: Gerhard Schröder, Helmut Kohl, Helmut Schmidt und Willy Brandt ( v.l.n.r) im Berliner KanzleramtBild: imago/Seeliger

Natürlich ist die Bundeskanzlerin, wie auch alle ihre Amtsvorgänger, in erster Linie dem "Wohle des deutschen Volkes" verantwortlich. Dessen Nutzen gilt es zu mehren und Schaden von ihm abzuwenden - so haben sie es mit ihrem Amtseid vor dem Bundestag geschworen. In welchem Maße das dem oder der Einzelnen gelungen ist - das macht die historische Größe aus. Wobei die Zeitgenossen mitunter zu ganz anderen Urteilen kommen als die Nachwelt.

Entscheidender Faktor für den Einzug und den Verbleib im Kanzleramt ist die Partei. Nur wer eine starke Partei hinter sich hat, kann sich überhaupt Hoffnung auf den Posten machen. Und wer ihn erreicht hat, muss darauf achten, dass die Partei ihre Stärke und damit die eigene Machtbasis nicht verliert.

Neue Parteien im eigenen Lager

Dabei sind Wechsel in Parteipräferenz der Wähler Wesensmerkmal der Demokratie und gewiss nichts Schlechtes. Denn nur der regelmäßige Machtwechsel hält die Demokratie lebendig. Bitter ist es für Regierende jedoch, wenn sich neben der eigenen Partei neue politische Bewegungen organisieren. Denn dann hat man es schlicht nicht verstanden, das eigene Lager zeitgemäß zu führen und die Regierungsarbeit entsprechend auszurichten. Oder einfach ausgedrückt: Man hat den Laden nicht zusammengehalten.

Weil eine wachsende Zahl von Klein- und Kleinstparteien die deutsche Demokratie nicht stabiler macht - die Weimarer Republik lässt grüßen - darf man daher die Fähigkeit, die klassischen Volksparteien CDU/CSU und SPD zusammenzuhalten, durchaus als Leistung zum "Wohle des deutschen Volkes" betrachten. Und vor diesem Hintergrund ergeben sich mitunter neue Bewertungskriterien, wer ein starker und wer ein schwacher Kanzler war.

Die Starken: Adenauer, Brandt und Kohl

Konrad Adenauer, der erste Kanzler der Bundesrepublik, hat, wie in so vielem anderen auch, an dieser Stelle Maßstäbe gesetzt. Als er 1949 antrat, war die Union zwar als schon Volkspartei konzipiert, hatte diesen Anspruch jedoch noch keineswegs eingelöst. Das ist dem "Alten" überraschend schnell und deutlich gelungen: Bereits zur dritten Bundestagswahl 1957 katapultierte Adenauer die CDU/CSU auf seither unerreichte 50 Prozent.

Das Pendant der SPD ist Willy Brandt: Als Kanzlerkandidat ab 1961 und Bundeskanzler ab 1969 führte er die Sozialdemokraten aus ihrem historischen 30-Prozent-Tief. Entgegen allen damaligen Umfragen und Prognosen wurde die SPD mit ihrem charismatischen Spitzenmann nach einem extrem aufgeheizten Wahlkampf 1972 erstmals stärkste Partei.

Der Dritte im Bunde der starken Kanzler ist Helmut Kohl: Ihm gelang das Kunststück, nach dem Umbruch in der DDR unter Führung der CDU eine "Allianz für Deutschland" gemeinsam mit einigen der neu entstandenen Bürgerrechtsparteien zu schmieden. Diese gewann dann mit Bravour die einzigen freien Wahlen in der Geschichte der DDR. Diese Allianz ging wenig später in der gesamtdeutschen CDU auf und sicherte so die Unions-Mehrheit auch im vereinigten Deutschland.

Die Schwachen: Schmidt, Schröder - und Merkel?

Auch die Gruppe der schwachen Kanzler umfasst nach heutigem Stand drei Köpfe. Da ist zunächst Helmut Schmidt, der zwar in hohem Alter eine Verehrung genoss, als sei er der Weltstaatsmann schlechthin gewesen. Auf das Aufkommen der grünen Bewegung in der zweiten Hälfte der 1970er-Jahre vermochte er nicht klug zu reagieren. Was von ihrer politischen Herkunft her Fleisch vom Fleische der SPD war, entwickelte sich dank Schmidts Ignoranz zu einer eigenständigen politischen Größe. Und hält die SPD seither fernab von jedem Traum an eine eigenständige Mehrheit.

Gerhard Schröder hat die SPD den zweiten großen Aderlass zu verdanken. Die von ihm unter dem Namen "Agenda 2010" eingeleiteten Sozialreformen haben Deutschland zwar zur Wirtschaftslokomotive Europas gemacht. Aber mit der auf den Trümmern der alten DDR-Staatspartei fußenden Linken nun auch bundesweit eine weitere Partei im ursprünglichen Wählerreservoir der SPD platziert.

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DW-Redakteur Felix Steiner

Bleiben Angela Merkel und der Aufstieg der AfD. Natürlich war nicht jeder aktuelle Wähler der AfD zuvor Parteigänger der CDU. Doch ist das Terrain rechts der Union, das die AfD jetzt mit Erfolg bearbeitet, über Jahrzehnte deren Reservoir gewesen. Und neben der Flüchtlingsdebatte, die in erster Linie für den AfD-Erfolg verantwortlich ist, gibt es noch eine ganze Reihe anderer Gründe, die Konservative in der Ära Merkel von der Union entfremdet haben: die angeblich alternativlose Euro-Rettungspolitik zum Beispiel oder die volkswirtschaftlich völlig unsinnige Energiewende. "Mitgenommen" wurde die Kernwählerschaft der Union jedenfalls bei keiner dieser Entscheidungen der Kanzlerin.

Für ein endgültiges Urteil bleibt abzuwarten, ob die AfD sich perspektivisch über der Fünf-Prozent-Hürde halten kann. Gemessen am Ergebnis der jüngsten Landtagswahlen scheint das jedoch nicht unwahrscheinlich. Und dann hätte auch die Union dank Angela Merkel die Probleme, die die SPD seit nunmehr 30 Jahren kennt.

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