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Politik

Sterben im arabischen Hinterhof

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp
5. Dezember 2017

Auch nach dem Mord an Ex-Premier Saleh geht die Gewalt im Jemen weiter. Dass Europa sich zurückhält, ist teilweise nachvollziehbar, meint Kersten Knipp. Viel mehr müssten hingegen Jemens direkte Nachbarn tun.

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Jemen Bürgerkrieg
Der von Luftangriffen getroffene Präsidentenpalast in der jemenitischen Hauptstadt SanaaBild: Getty Images/AFP/M. Huwais

Dass Todesfälle für Besinnung sorgen, gilt für den Jemen schon lange nicht mehr. Seit über zweieinhalb Jahren bekämpft ein internationales, von Saudi-Arabien angeführtes Bündnis seine Feinde, die aufständischen Huthis. Diese gehen ihrerseits wenig zimperlich auf ihre Gegner los und scheuen sich nicht, gelegentlich auch Kriegsgefangene zu erschießen. Zwischen beiden Fronten befindet sich die Zivilbevölkerung, die den Krieg bereits mit mehr als 10.000 Toten bezahlt hat.

Nun hat es einen dieser Kriegsherren getroffen: Ali Abdullah Saleh, bis 2012 Präsident des Jemen. Am Montag ist er ermordet worden - und zwar von den Huthis, mit denen er über Monate ein Bündnis geschlossen hatte. Am vergangenen Wochenende deutete Saleh an, dass er die Seiten wechseln wolle. Damit bestätigte er einmal mehr seinen Ruf, ein - höflich ausgedrückt - ausgesprochen flexibler Politiker zu sein, dessen Ansichten merkwürdig kompatibel zu den für ihn jeweils günstigen Umständen sind.

Auch sein Tod wird die Kämpfe im Jemen nicht stoppen, im Gegenteil: Es ist zu erwarten, dass seine Truppen sich nun von den Huthis abwenden und stattdessen mit denen seines Nachfolgers, des Präsidenten Abed Rabbo Mansur Hadi verbünden. Gemeinsam werden sie die Huthis mit aller Kraft bekämpfen. Die ihrerseits werden sich mit aller Macht wehren.

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DW-Autor Kersten Knipp

Europäische Zurückhaltung

All dies nimmt man im Westen mit eher mäßigem Interesse zur Kenntnis. In Europa verspürt kaum ein Politiker die Neigung, in einem Stellvertreterkrieg Position zu beziehen, in dem sich die beiden größten regionalen Mächte, Saudi-Arabien und der Iran, gegenüberstehen: Zu groß ist das Risiko, es sich mit einem oder gar beiden kriegsführenden Staaten zu verscherzen. Dies umso mehr, als diese sich auch in Syrien indirekt gegenüberstehen. Und der Krieg dort wirkte sich - Stichwort Flüchtlingskrise - auch unmittelbar auf Europa aus.

Das Kalkül ist einfach: Syrien liegt nahe an Europa, der Jemen ist zum Glück weiter weg. Aus Syrien kommen deswegen hunderttausende Flüchtlinge, aus dem rundum abgeschotteten Jemen so gut wie überhaupt keine. Entsprechend gering ist das Engagement für das Armenhaus im Süden der arabischen Welt.

Mit anderen Worten: Geostrategische Fakten schaffen humanitäre Interventionen - oder lassen sie, wie in diesem Fall, hinfällig werden. Hilfe ist bisweilen auch eine Frage der Interessen.

Gefordert sind die Nachbarn

Mehr noch als für das in der Tat ferne Europa gilt das allerdings für Jemens unmittelbaren Nachbarn, Saudi-Arabien. Der junge Kronprinz Mohammed bin Salman führt den Krieg ungerührt weiter, der das schon zuvor ärmste arabische Land vollkommen ins Elend gestürzt hat. Menschliches Leid ist ganz offenbar kein Faktor, der in seinem Kalkül irgendeine Rolle spielt.

Inwiefern der Iran in die Gewalt im Jemen verstrickt ist, ließ sich bislang nicht überzeugend nachweisen. Am Dienstag warnte der iranische Präsident Hassan Rohani die Saudis allerdings vor weiteren Angriffen. "Die Bevölkerung des Jemen wird die Angreifer ihr Handeln bereuen lassen", erklärte er in einer im Fernsehen übertragenen Rede. Welche Beziehungen Iran zur jemenitischen Bevölkerung hat, die eine solche Ankündigung rechtfertigen, würde man nach diesen Worten ja gerne wissen. Vermuten darf man: keine, die über jeden Zweifel erhaben sind.

Auch die anderen Länder der Region - Pakistan und Indien im Osten, Äthiopien und Sudan im Westen, sind bislang nicht durch sonderliches Engagement aufgefallen. Gewiss, Europa könnte mehr tun - Europa kann immer mehr tun. Fragen könnten sich zur Abwechslung aber auch einmal die Nachbarstaaten des Jemens, wie es um ihr Engagement bestellt ist. Und in was für einer Region sie langfristig eigentlich leben wollen.

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Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika