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Politik

Syrien und der Triumph der Autokraten

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp
19. März 2018

Manches deutet darauf hin, dass die Türkei aus Syrien nicht so schnell abrücken wird. Immer deutlicher zeigt sich, dass autoritäre Regime die Zukunft Syriens wie der gesamten Region prägen werden, meint Kersten Knipp.

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Türkische Armee rückt in Afrin ein
Bild: picture-alliance/AA

Knapp zwei Monate ist es her, dass Erdogan seine Panzer über die Grenze nach Syrien schickte, nun ist es vollbracht: Seit Sonntag weht die türkische Flagge auf dem Bürgermeisteramt von Afrin. Zwar hat Erdogan erklärt, sein Land komme keinesfalls als Besatzungsmacht. Aber Flaggen sind Flaggen: ein in den Himmel steigender Machtanspruch.

Wie lange die Türkei diesen aufrechterhalten wird, darüber sinnen derzeit die Kommentatoren nach, arabische und europäische gleichermaßen. Die eher pessimistisch gestimmten unter ihnen weisen darauf hin, dass die Türkei einst auch in Zypern einmarschierte. Das war 1974. Und immer noch stehen türkische Soldaten auf der Insel.

In jedem Fall darf man wohl davon ausgehen, dass die Flagge sich noch eine ganz Weile im Wind von Afrin wiegen wird: Wiederholt hatte Erdogan erklärt, er wolle die kurdischen Kämpfer auch aus der Stadt Manbidsch, rund 100 Kilometer weiter westlich gelegen, vertreiben. Eine weitere Stadt dürfte also eingeschlossen und beschossen werden, Menschen den Angriffen der türkischen Luftwaffe und Artillerie ausgesetzt sein. Nach allem, was man aus Afrin hört, geht die türkische Armee nicht eben zimperlich vor.

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DW-Autor Kersten Knipp

"Zuerst säubern wir Afrin"

Warum auch? Der Krieg in Syrien, die Zerstörung und der Tod, bieten eine einmalige Gelegenheit, Jagd auf all jene zu machen, die in den Augen Ankaras "Terroristen" sind. Seit Jahren setzen robuste Regime - von Syrien über den Iran bis nach Russland - auf diesen Begriff, um die Jagd auf Gegner leichter rechtfertigen zu können. Auch Ankara nimmt die Bezeichnung dankbar in Anspruch.

"Terroristen", das wäre ein mal wirklich ernsthafter Kandidat für das Unwort des Jahres. Längst erlaubt er geografische Dehnübungen im großen und größten Stil. Erdogan selbst hatte in der vergangenen Woche verlauten lassen, wie er sich den weiteren Verlauf der Invasion vorstellt: "Zuerst säubern wir Afrin, dann Manbidsch und die Gebiete östlich des Euphrats, bis zu unserer Grenze mit dem Irak".

Absprachen hinter den Kulissen?

Umso mehr fällt auf, dass die Regierung in Damaskus sich merkwürdig zurückhält. Kaum ein Wort zu der Invasion durch den Nachbarn, und erst recht keine Anstrengung zum Schutz der eigenen Bevölkerung. Die ist zwar von einem Regime, das seit Jahren einen brutalen Krieg gegen die eigenen Bürger führt, ohnehin nicht zu erwarten. Aber eine Reaktion, die in irgendeiner Form den eigenen Souveränitätsanspruch unterstreicht, hätte man schon erwarten dürfen.

Dass diese ausbleibt, könnte ein Hinweis darauf sein, dass sich Ankara und Damaskus hinter den Kulissen längst verständigt haben. Der syrische Staat liegt am Boden, er hat den Invasoren schlicht nichts entgegenzusetzen. Da sich auch Russland und Iran zurückhalten - womöglich gab es auch in diese Richtung Absprachen - darf Ankara sich ermutigt fühlen, nach Belieben zu schalten und zu walten. Dass seine Armee die in Manbidsch mit den Kurden noch kooperierenden Amerikaner reizen könnte, scheint Erdogan nicht sonderlich zu schrecken. Absprachen auch hier?

Die Stunde der Autokraten

Nach sieben Jahren Krieg offenbart sich immer deutlicher, dass die syrische Landkarte neu geschnitten wird - und mit ihr die von nahezu der gesamten Region. Syrien wird eine Kolonie, bestenfalls ein Protektorat neuer Mächte: seiner mittel- oder unmittelbaren Nachbarn - der Türkei, des Iran - ebenso wie globaler Akteure, allen voran Russland. So verstanden, richtet sich in Syrien gerade auch das globale Gefüge neu aus. In dieser Konstellation will sich offenbar auch die Türkei ihren Teil des Kuchens sichern. Auch das deutet darauf hin, dass in Syrien wie im gesamten Nahen Osten die Autokraten triumphieren. Wie es aussieht, auf Dauer.

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DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika