Terror kann nur gemeinsam bekämpft werden!
17. Dezember 2014Am Tag eins nach der Attacke auf die Armee-Schule in Peschawar steht das Land immer noch unter Schock. Und die drei Tage Staatstrauer in Pakistan werden sicher nicht ausreichen, die Geschehnisse zu verarbeiten - von einem Paradigmenwechsel bei Militär und Politik ganz zu schweigen. Nur ganz kurz nach dem Anschlag keimte Hoffnung auf, dass sich das Kräftedreieck Pakistan - Afghanistan - Indien neu austarieren könnte um den gemeinsamen Schwerpunkt Terrorbekämpfung. Noch am Dienstagabend versprach Indiens Premier Narendra Modi, sein Land stehe "entschlossen hinter Pakistan". Am Mittwochmorgen flog der Stabschef der pakistanischen Armee, Raheel Sharif, nach Kabul, um dort eine gemeinsame Terrorstrategie mit den Afghanen und der ISAF zu besprechen.
Unerfüllbare Forderungen Pakistans an Kabul
Die Ernüchterung folgte jedoch schon mit den ersten Meldungen pakistanischer Medien über die Afghanistan-Reise: Demnach ging es dem General wohl vor allem darum, die Verantwortung für das Schulmassaker in Richtung Kabul zu schieben. So soll der Plan für den Angriff von Umar Naray stammen, einem Taliban-Kommandanten, der sich im afghanischen Grenzgebiet aufhalten soll. Weiter forderte die pakistanische Delegation in Kabul, zu der auch der Chef des omnipräsenten Geheimdienstes ISI gehört, dass Kabul den Kopf der Gruppe "Tehreek-e Taliban Pakistan" ausliefern solle, um ihn in Pakistan vor Gericht zu stellen. Jener Mullah Fazlullah soll sich ebenfalls irgendwo im Nordosten Afghanistans verstecken.
Das sind für Kabul kaum erfüllbare Forderungen. Im Übrigen: In Pakistan selbst konnte sich jahrelang der prominenteste Terrorist unserer Zeit, Osama Bin Laden, unbehelligt verstecken - bis ihn nicht der pakistanische Geheimdienst-Militär-Komplex, sondern eine US-amerikanische Kommandoeinheit aufspürte und tötete. Das war damals schon peinlich für die Generäle. Dass eine Armeeschule nun trotz intensiver Offensiven in den Stammesgebieten von pakistanischen Taliban angegriffen wurde, wäre eine unauslöschliche Schmach. Dann doch lieber die Afghanen in die Pflicht nehmen, ihren Hinterhof endlich mit eisernem Besen zu säubern! Dass die Pakistani jahrzehntelang genau dort die Taliban unterstützten, lassen die Militärs und Geheimdienstoffiziere geflissentlich unter den Tisch fallen. Es gab Zeiten, da galten die Gotteskrieger in Islamabad als willfähriges Mittel einer verdeckten Außenpolitik - und nicht als Terroristen!
Des einen Terrorist, des anderen Freiheitskämpfer
Womit die größte Hürde einer gemeinsamen, regionalen Anti-Terrorstrategie erreicht wäre: Wer definiert eigentlich, was ein Terrorist ist? Afghanen und Pakistani werden bei weitem nicht immer einen gemeinsamen Nenner finden. Und noch weniger die Inder: Es gab immer wieder Nachsicht, wenn Hindu-Extremisten moslemische Viertel in Schutt und Asche legten. Pakistan steht dagegen stets in der ersten Reihe, so etwas als Terrorakte zu verurteilen. In Kaschmir mit seiner muslimischen Bevölkerungsmehrheit werden dagegen andere Maßstäbe angelegt: Seit 1947 zwischen Pakistan und Indien geteilt, gelten im indischen Teil genau diejenigen muslimischen Kämpfer als Terroristen, die die Pakistani als Freiheitskämpfer bejubeln.
In diesem Wirrwarr aus historisch, religiös, geografisch und politisch motivierten Wahrnehmungen des Phänomens Terrorismus eine gemeinsame Strategie zu schmieden, ist nicht im Schnelldurchgang zu erreichen. Denn das verlangt von den Politikern in der Region, von gewohnten Feindbildern Abschied zu nehmen und jeder Gewalt, egal welcher Provenienz, entschlossen entgegen zu treten. Die ewigen Schuldzuweisungen und Winkelzüge führen dagegen in den Abgrund und spielen den Terroristen in die Hände. Denn in diesem Klima können sie stets darauf hoffen, immer den passenden Patron und Geldgeber für ihr grausames Handwerk zu finden.