Ungelenker Trump trifft souveräne Merkel
Bloß kein Fehlstart! Kanzlerin Merkel und Präsident Trump hatten sich vorgenommen, die Gemeinsamkeiten hervorzuheben; Differenzen klein zu reden oder gar nicht anzusprechen. Daran hielten sie sich, besonders vor der Presse. Wobei schon auffiel, wie angespannt der Gastgeber war. Kein Wunder. In Washington will ihm derzeit wenig gelingen, nicht bei der Einwanderungspolitik, nicht im Umgang mit den Geheimdiensten oder bei der Reform des Gesundheitswesens. Das Letzte, was der Präsident jetzt braucht, ist ein Fauxpas mit einer der dienstältesten Regierungschefinnen der Welt. Merkel genießt trotz ihrer Flüchtlingspolitik, die viele Amerikaner ablehnen, hohes Ansehen in Washington. Vor allem die wirtschaftliche Stärke Deutschlands imponiert.
Trump ist der dritte amerikanische Präsident, mit dem sie eine gemeinsame Sprache, ein politisches Grundverständnis finden muss. Bei ihrem ersten Treffen hat das gar nicht so schlecht funktioniert. Im Auftreten souverän, hakte sie ein Stichwort nach dem anderen ab: gemeinsame Werte, Bekenntnis zu NATO, offene Grenzen innerhalb der EU, freier Handel, auch gerne ein besseres Verhältnis zu Russland - aber erst, wenn die Ukraine-Krise gelöst ist. Einzige Spitze der Kanzlerin: Es sei besser miteinander zu sprechen als übereinander. Das zielte zweifellos auf die teilweise unverschämte Kritik des Kandidaten Trump an Merkel; die wollte Präsident Trump jetzt Vergessen machen. Er war gegenüber dem Gast betont höflich und zuvorkommend.
Kleine Siege
Beide Seiten gönnten der jeweils anderen einen kleinen Sieg: Merkel versprach - einmal mehr - höhere Verteidigungsausgaben. Trump bekannte sich ohne Wenn und Aber zur NATO. Und doch werden beide an ihren unterschiedlichen Vorstellungen festhalten. Etwa beim Handel. Während der Pressekonferenz erwähnte Trump das geplante Freihandelsabkommen mit Europa mit keinem Wort. Die Kanzlerin hingegen unterstrich, dass von einem entsprechenden Vertrag beide Seiten profitierten. Offene Worte werden beide hinter verschlossenen Türen ausgetauscht haben.
Wo die Kanzlerin in den wichtigen Politikfeldern steht, ist allzu bekannt: Ihre Bewunderung für die USA, ihr Festhalten an NATO und EU, ihr Bekenntnis zu den westlichen Werten. Vielmehr ist es Donald Trump, der mit seinen Äußerungen im vergangenen Jahr Zweifel gesät hat, wo er politisch steht. Jetzt wird er von erfahrenen Politikern wie Merkel oder dem japanischen Regierungschef Stück für Stück "eingefangen". Das Amt macht eben doch den Staatsmann - und nicht umgekehrt.
Dem ersten Treffen Trump-Merkel werden weitere folgen. Ergebnisse waren von diesem Besuch kaum zu erwarten. Trump wächst noch in die Rolle des Präsidenten hinein. Angela Merkel sollte ihm dabei helfen, wo es deutsche Interessen erlauben. Denn von einer Spaltung des Westens profitiert am Ende niemand. Noch nicht einmal deren Feinde.