Kommende Woche Donnerstag, morgens um acht Uhr, wird Deutschland offiziell in die Rezession rutschen.
Denn dann werden die obersten deutschen Statistiker ihre Zahlen für das Wirtschaftswachstum im dritten Quartal veröffentlichen. Und da wird, nach allem, was man weiß, ein Minus davorstehen. Und weil ein solches Minus auch im zweiten Quartal davor stand, bedeutet das: Deutschland steckt in einer Rezession. Na endlich!
Dann schlägt die Stunde der Schwarzmaler: Haben wir doch immer schon gesagt! Es geht bergab. Und überhaupt, das Ende der Welt steht sowieso kurz bevor. Allein: Es stimmt so nicht.
Unsicherheit allerorten
Erstens handelt es sich um eine - in Wirklichkeit - belanglose sogenannte "technische Rezession". Weil sich mal irgendwer die Sache mit den zwei Quartalen ausgedacht hat. Und zweitens sind sich die allermeisten Experten einig: Es wird nicht wirklich schlimm und auch nicht lange dauern. Denn am Ende des Jahres wird die deutsche Wirtschaft dann doch gewachsen sein, und sei es nur um ein halbes Prozent.
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Viele Unternehmen durchleben gerade spannende Zeiten. Handelskriege, nicht nur zwischen den Amerikanern und Chinesen, machen ihnen zu schaffen. Dazu die Never-ending-story um den Brexit, was in Summe für eine lahmende Weltwirtschaft sorgt. Die deutschen Maschinenbauer spüren das deutlich in ihren Auftragsbüchern, die Chemieindustrie genauso. Die Autobauer samt Zulieferindustrie sind im größten Umbruch, seit Autos gebaut werden. Autos, Maschinen, Chemie: Wenn die drei größten Industriezweige des Landes darben, hinterlässt das Spuren - keine Frage.
Die Unsicherheit, die in vielen Firmen herrscht, überträgt sich aber offenbar auch auf jene, welche die Lage beobachten und daraus Prognosen ableiten (sollen): Da stimmt fast nichts mehr. Einfach, weil die Welt viel komplexer geworden ist und viele Vorhersagemodelle noch aus der analogen Welt stammen. Die digitale Disruption ist in keinem Rechenmodell eingearbeitet. So kommt es, dass die Industrieproduktion im August überraschend gestiegen ist, obwohl die meisten Auguren mit einem Rückgang gerechnet hatten. Aber, so beeilen sich dieselben Auguren dann zu versichern, das könne nur ein Strohfeuer sein, schon im September würde da wieder ein negatives Vorzeichen stehen.
Zum Aufschwung gehört der Abschwung
Was aber passiert? Vier Wochen später, genauer: heute, wird gemeldet: Die Industrie hat im September mit einem Auftragsplus "überrascht", gar von einer Bodenbildung ist die Rede. Deswegen - und weil sich auch andere Konjunkturindikatoren zuletzt stabilisierten - halten es die Beobachter nun für möglich, dass Europas größte Volkswirtschaft zum Schluss des Jahres wieder auf einen Wachstumskurs schwenkt. Schlecht für alle, die auf einen Absturz der deutschen Wirtschaft gehofft hatten.
Was oft vergessen wird: Deutschland hat eine Dekade des Wachstums hinter sich. Viele Firmen konnten gar keine Aufträge mehr annehmen, weil sie ausgelastet waren. Der immer wieder beschworene Fachkräftemangel ist auch ein Ausdruck dieser enormen Nachfrage. Es bestand bisweilen die Gefahr einer veritablen Überhitzung der Wirtschaft, mit all den negativen Folgen, die das haben kann, wie zum Beispiel drastisch steigende Preise. Insofern kommt vielen Firmen eine Abkühlung durchaus gelegen. Nicht zu vergessen: Wir sprechen noch immer von Konjunkturzyklen. Und so ein Zyklus besteht aus Auf- UND Abschwung.
Wie gesagt: Das hilft einem Autozulieferer, der bislang Getriebegehäuse für Daimler oder VW gebaut hat wenig, wenn die davon weniger brauchen, weil E-Autos schlicht kein Getriebe haben. Die Herausforderung, vor dem Unternehmen stehen, ist es, den Wandel zu meistern. Aber das ist schon immer so gewesen. Ohne diese Fähigkeit, die vor allem die deutschen Mittelständler auszeichnet, wäre Deutschlands Wirtschaft heute nicht das, was sie ist: ein globaler Player.