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Zusammenprall völlig unterschiedlicher Welten

Shams Shamil Kommentarbild App
Shamil Shams
12. Januar 2016

Massenhafte Belästigung von Frauen durch muslimische Zuwanderer, gewaltsame Angriffe auf Ausländer durch Rechtsradikale: Deutschland fühlt sich bedroht und radikalisiert sich deshalb immer mehr, meint Shamil Shams.

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Rechte Demonstranten bei Pegida-Demonstration in Köln (Foto: Reuters)
Bild: Reuters/W.Rattay

Als pakistanischer Journalist in Deutschland habe ich die Entscheidung der Bundesregierung, hunderttausende Flüchtlinge ins Land zu lassen, ohne etwas über ihren Hintergrund zu wissen, von Beginn an skeptisch gesehen.

Natürlich verstehe ich die Notlage der Menschen, die vor Kriegen wie etwa in Syrien fliehen, vor unglaublicher Unterdrückung und Gewalt durch Islamisten oder das Regime von Präsident Bashar al-Assad. Ich verstehe ihr Leid und ihren Schmerz, wenn sie ihre Liebsten, ihre Heimat und ihre Existenz in dem Bürgerkrieg verloren haben, der das einst friedliche Land verwüstet hat.

Gleichzeitig bin ich sicher: Der Zustrom von Migranten wird die Harmonie und die Ausgeglichenheit der deutschen Gesellschaft empfindlich stören. Ich glaube, dass die islamische Kultur und die europäischen Normen nicht vereinbar sind.

Die meisten Deutschen haben auf die Flüchtlingskrise mit vorbildhafter Menschlichkeit reagiert. Meine europäischen Freunde wurden wütend, wenn ich vor der Flüchtlingspolitik von Angela Merkel warnte. Ich fand es sehr naiv, dass viele Deutsche glauben, alle Flüchtlinge aus dem Nahen Osten und Südasien würden sich ihrer Art zu leben anpassen. Ich sagte meinen Freunden, dass ihr Verständnis der muslimischen Welt begrenzt und fehlerhaft sei. Sie beachteten meine Argumente kaum.

Verachtung westlicher Werte

DW-Redakteur Shamil Shams (DW/Per Henriksen)
Shamil Shams, Redakteur in der DW-Urdu-RedaktionBild: DW/P. Henriksen

Meine schlimmsten Befürchtungen wurden wahr, als hunderte Männer - mutmaßlich nordafrikanischer und arabischer Herkunft - Frauen am Silvesterabend in Köln sexuell belästigten. Nun endlich diskutiert Deutschland darüber, ob es eine gute Idee war, Menschen aus fremden Kulturen so offen zu empfangen. Ich persönlich habe mich noch nie so sehr geschämt wie jetzt.

Ich selbst habe einem muslimischen Hintergrund. Ich lebe seit vielen Jahren in Deutschland und bin immer mit Respekt behandelt worden. Ich habe mich in Deutschland immer sicherer gefühlt als in Pakistan. Ich habe viele deutsche Freunde und habe mich nie ausgeschlossen gefühlt in dieser Gesellschaft.

Aber durch die sexuellen Übergriffe am Silvsterabend ist mir bewusst geworden, dass ich in gewisser Weise Mitverantwortung trage für diese verabscheuungswürdigen Taten: Was in Köln passiert ist, geschieht nämlich in meinem Heimatland Pakistan regelmäßig. Die Männer schämen sich nicht, fühlen sich nicht schuldig, zeigen keine Reue für die Art und Weise, wie Frauen in dem Teil der Welt behandelt werden.

Die Männer, die die Frauen in Köln sexuell belästigt haben, sind nicht verrückt oder unzurechnungfähig; sie wussten, was sie tun. Ich bin sicher, sie taten es mit voller Verachtung für Europas Kultur, seine Normen und seine Bevölkerung.

Extremistische Gruppen werden stärker

Nun sehen wir eine Gegenbewegung der Rechtsextremen. Am Sonntag griff eine Gruppe von 20 Personen sechs Pakistaner und einen Syrer in der Nähe des Kölner Hauptbahnhofs an - einem Ort, an dem ich oft ohne Angst selbst nach Mitternacht entlanggelaufen bin. Einige der Opfer wurden ernsthaft verletzt und mussten ins Krankenhaus gebracht werden. Deutsche Medien berichten, die Täter seien aus dem Hooligan- und Türstehermilieu. Es war eine schändliche Tat, doch was soll man von rechtsextremen Gruppen anderes erwarten?

Ich hätte einer dieser Pakistaner sein können, den die Hooligans zusammengeschlagen haben. Sie hätten mir keine Fragen gestellt, bevor sie mich geschlagen oder beleidigt hätten. Sie hätten nicht gewusst, dass ich Atheist bin und dass ich seit über 15 Jahren kritisch über islamischen Extremismus schreibe. Es hätte sie aber auch gar nicht interessiert. Für sie bin ich einfach nur ein Muslim, ein Südasiate, der ihre Art zu leben bedroht.

Die deutsche Gesellschaft verändert sich. Sowohl rechtsextreme deutsche als auch radikale muslimische Gruppen werden von Tag zu Tag stärker. Das ist eine alarmierende Situation für die säkulare Mehrheit der Menschen in Deutschland und Europa.

Säkulare Fundamente der Gesellschaft schützen

Wenn die Bundesregierung die säkularen Fundamente des Landes schützen will, muss sie die Menschen, die in die Gesellschaft integriert werden sollen, besser überprüfen. Integration bedeutet nicht, einfach nur die deutsche Sprache zu lernen. Ich kenne viele Muslime, die fließend Deutsch sprechen. Trotzdem haben sie tief sitzende Vorbehalte gegen Säkularität und westliche Werte.

Schon der Aufstieg des Salafismus in Deutschland hat rechtsradikalem Denken neuen Auftrieb gegeben. Pegida ist nur die Spitze des Eisbergs. Doch was am Silvesterabend geschehen ist, könnte das Leben der Deutschen und der Ausländer für immer verändern. Die Bundesregierung muss dafür sorgen, dass das nicht passiert. Und ich als Ausländer in Deutschland, der aus einem muslimischen Land stammt, trage dafür ebenfalls Verantwortung.

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