Deutsche Ebola-Hilfe zu spät?
1. Dezember 2014Ein Jahr nach Ausbruch der Seuche kann keine Entwarnung gegeben werden. Darüber sind sich alle Experten einig. In Guinea, Liberia und Sierra Leone ist noch kein Ende der Pandemie abzusehen. Diese Länder benötigen noch immer dringend Hilfe von außen, auch aus Deutschland. Zuständig dafür ist Walter Lindner, Diplomat und Ebola-Beauftragter der Bundesregierung. Vor sechs Wochen hat er sein Amt angetreten. Viel zu spät, wie viele Kritiker meinen. Sie werfen der Bundesregierung vor, die dramatische Situation in Westafrika nicht rechtzeitig erkannt und zu spät reagiert zu haben.
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) spricht von einem "Desaster der deutschen Außen- und Entwicklungspolitik". Auch andere Medien bemängelten am vergangenen Wochenende, dass die deutsche Hilfe nur schleppend anlaufe und sich die Eröffnung des geplanten Behandlungszentrums in Liberia weiter verschiebe. Diese Kritik will Lindner nicht so stehen lassen. Ja, man habe spät reagiert, räumt er ein. Aber das treffe auf fast alle weltweiten Akteure zu.
Niemand hätte rechtzeitig erkannt, welche Dimensionen die Seuche einnehmen werde. Nun aber sei die Bundesregierung in allen drei betroffenen Staaten aktiv und baue dort kleinere Behandlungszentren in ländlichen Regionen. Er selbst sei schon drei Mal in der Krisenregion gewesen, auch in abgelegenen Gebieten auf dem Land. Am kommenden Wochenende werde er wieder hinreisen. Über Versäumnisse könne man später nachdenken. "Mein Job ist es jetzt, die Hilfe so schnell wie möglich da runter zu bringen, effektiv einzusetzen und so gut wie möglich zu koordinieren."
Betreuung auch für Helfer und Angehörige
Die Lage vor Ort sei noch immer dramatisch, aber es gebe auch leichte Hoffnungsschimmer, sagt Klemens Ochel vom #link:http://medmissio.de/:Missionsärztlichen Institut in Würzburg# bei einem Fachgespräch zu Ebola in Berlin. So werde seit September die internationale Hilfe erkennbar und spürbar. Die ausländischen Helfer in ihren furchteinflößenden Schutzanzügen würden inzwischen akzeptiert, die Ansteckungswege würden besser kontrolliert. Gleichwohl bleibe der Aufbau dezentraler Isolationsstationen für Infizierte und Kranke weit hinter den Erfordernissen zurück. Vor allem in den ländlichen Gebieten müsse noch viel getan werden. Dabei sei es besonders wichtig, Helfer und Angehörige psychosozial zu betreuen, den Überlebenden bei der Reintegration in die Gesellschaft zu helfen und die verwaisten Kinder zu versorgen.
Gisela Schneider, Direktorin des #link:http://www.difaem.de/startseite/:Deutschen Instituts für Ärztliche Mission# in Tübingen, teilt die Einschätzung ihres Kollegen. "Es bleibt unglaublich viel zu tun", bekräftigt auch sie. "Ebola trifft den Nerv der Gesellschaft. Da, wo eigentlich Geborgenheit herkommt, in der Familie, da entsteht Krankheit und Tod." Nicht nur die Betroffenen und ihre Angehörigen seien traumatisiert durch diese Krankheit, sondern auch die Ärzte und Krankenpfleger. Sie seien die eigentlichen Helden, denn obwohl sich viele von ihnen selbst angesteckt hätten, setzten sie ihre Arbeit fort und versorgten weiterhin die Kranken und Sterbenden.
Die dramatische Situation im Zusammenhang mit der tödlichen Seuche zeige aber auch, dass das Gesundheitssystem in den betroffenen Ländern völlig überfordert sei. Nicht nur Ebola raffe die Menschen dahin, auch andere Krankheiten wie Tuberkulose und AIDS forderten zahlreiche Opfer. "Keiner zählt die Malaria-Toten. Keiner zählt die Mütter, die in den vergangenen sechs Monaten gestorben sind, weil sie keinen Kaiserschnitt kriegen konnten oder weil sie eine Blutung bekamen." Man müsse daher das gesamte Gesundheitswesen in den Blick nehmen, Krankenhäuser aufbauen, Klinikpersonal ausbilden und Krankenpfleger und Ersthelfer für den Einsatz in den entlegenen Dörfern trainieren.
Ebola-Impfstoff bis Ende nächsten Jahres?
Die entwickelte Staatengemeinschaft müsse sich auch fragen, warum es so lange dauere, bis geeignete Medikamente und Impfstoffe entwickelt seien, so Schneider. Immerhin tauche das Ebola-Virus schon seit 1976 immer wieder auf und führe immer wieder zu lokalen Epidemien. Eine Antwort darauf versucht Harald Zimmer vom Verband der forschenden Pharma-Unternehmer in Deutschland. "Um Medikamente zu entwickeln braucht man Patienten", stellt er fest. Vor dem jetzigen Ausbruch der Seuche habe es in den vergangenen 40 Jahren in Westafrika 16.000 Fälle gegeben, zu wenig, um erfolgreich ein antivirales Medikament zu entwickeln. Weiter sei man dagegen bei der Forschung an Impfstoffen, für die man keine Kranken als Probanden benötige. Derzeit gebe es rund ein Dutzend erfolgversprechende Projekte, die aber noch in einem frühen Stadium seien, lange vor der klinischen Erprobung. Sie würden derzeit an Gewebe und an Tieren ausprobiert. "Alle diese Projekte werden unter Hochdruck vorangetrieben", so Zimmer. Er sei zuversichtlich, dass es bis Ende nächsten Jahres einen Impfstoff geben könne.
Auch in Hamburg wird an einem Ebola-Impfstoff geforscht. In den nächsten Monaten soll ein von der Weltgesundheitsorganisation WHO geliefertes Serum an gesunden Probanden getestet werden, berichtet Ansgar Lohse, Professor am #link:http://bit.ly/1yaNbpD:Universitäts-Klinikum Hamburg Eppendorf (UKE)#. Die ersten zehn Freiwilligen seien bereits geimpft worden. Nun solle getestet werden, wie sie auf dieses Mittel reagierten und ob sie Antikörper bildeten. Die Bundesregierung habe für diese Forschung Gelder zur Verfügung gestellt und könne damit einen wichtigen Beitrag zum Kampf gegen Ebola leisten.
Antivirale Medikamente hält der Mediziner für nicht sehr erfolgversprechend. Wie man aus der Grippe-Forschung wisse, seien Impfstoffe wirksamer als antivirale Medikamente. Lohse selbst hat Erfahrungen mit dem Ebola-Virus gemacht, denn an seiner Klinik wurde ein erkrankter Mitarbeiter der Weltgesundheitsorganisation behandelt. Er konnte im Oktober geheilt entlassen werden.