Kommt doch noch der globale Emissionshandel?
24. August 2017Als der europäische Emissionshandel 2005 an den Start ging, war die Hoffnung groß. Viele glaubten, es wäre der erste Schritt zu einem weltweiten Handel. In den USA wurde damals an einem ähnlichen System gearbeitet. Doch kurz nach Barack Obamas Amtsantritt 2008 lehnten die Republikaner das Vorhaben im Kongress ab. Das europäische Emissionshandelssystem – nach dem englischen Namen auch ETS genannt – stand ohne Partner da. Es gab kein anderes großes System außerhalb der EU, in dem Unternehmen mit Verschmutzungsrechten hätten handeln können.
Doch nun scheint sich etwas zu tun. Letzte Woche gab Brüssel bekannt, dass es sein System mit dem von der Schweiz verbinden werde. Das Abkommen könnte bereits 2018 in Kraft treten. Es ist nicht unbedingt das große globale System, das mal vorgesehen war, aber immerhin ein Anfang.
Erlaubnisscheine zur Luftverschmutzung
Das Emissionshandelssystem ist eine der wichtigsten Säulen der EU-Klimaschutzpolitik. Es soll wirtschaftliche Anreize für Unternehmen schaffen, CO2 einzusparen und in saubere Technologien zu investieren. Stößt ein Unternehmen in Europa klimaschädliche Abgase aus, muss es dafür Zertifikate vorweisen – Erlaubnisscheine zur Luftverschmutzung und Klimaschädigung. Manche Zertifikate bekommen sie umsonst, andere müssen sie kaufen. Die CO2-Zertifikate, die die Unternehmen nicht verbrauchen, können sie verkaufen.
Die Idee ist einfach: Wer die Luft verschmutzt, zahlt. Wer Emissionen spart, spart auch Geld. Das System hat allerdings ein Problem. Es gibt zu viele Emissionszertifikate auf dem Markt, der CO2-Preis ist im Keller. Der wirtschaftliche Anreiz Emissionen zu drosseln, ist gering. Die EU möchte den Emissionshandel reformieren. Andere Länder zögern, in den CO2-Markt einzusteigen. Sie haben gesehen, wie sehr das europäische System krankt.
Australien hat 2007 ein Emissionshandelssystem gegründet, das mit dem europäischen ETS verknüpft werden hätte sollen. Doch nach einem Regierungswechsel 2013 wurde das Gesetz rückgängig gemacht. Ein paar kleine Vorhaben wurden z.B. in Südkorea und Neuseeland sowie in einigen Staaten der USA eingeführt. Aber der Erfolg dieser Systeme ist fragwürdig, meint Aki Kachi, Policy Director bei Carbon Market Watch. Dementsprechend ist die Begeisterung bei vielen abgeflaut.
Der Emissionshandel ist kein zentraler Teil des Pariser Klimaabkommens. Und bisher ist es in keinem System gelungen, die CO2-Preise so hoch zu halten, um genügend Anreize für Emissionsminderungen zu schaffen. "Vor ungefähr zehn Jahren hatte die Europäische Kommission einen Fahrplan, wie ein OECD-weites Emissionshandelssystem bis 2015 aussehen könnte. Das ist – wie man sieht – nicht passiert", sagte Kachi der DW.
Der chinesische Gigant
Doch nicht alle haben sich vom Emissionshandel abgewandt. China will ein nationales Emissionshandelssystem ähnlich des europäischen ETS einführen. Es wird etwa ein Viertel aller Treibhausgase, die von der Industrie ausgestoßen werden, abdecken. In den Städten Peking, Shanghai, Tianjin, Shenzhen und Chongqing sowie in den Provinzen Guangdong und Hunan laufen bereits regionale Pilotprojekte.
Das neue nationale Programm soll viermal so groß wie die regionalen Systeme und das größte CO2-Handelssystem der Welt werden – bei weitem umfangreicher als das europäische ETS. Aber laut Kachi stehen Analytiker dem chinesischen Vorhaben skeptisch gegenüber. Die Details sind noch unklar. Es ist außerdem noch nicht sicher, ob das Programm wirklich so groß wird wie angekündigt. Ursprünglich sollte das System Ende des Jahres eingeführt werden. Jetzt soll es erst 2018 an Start gehen. Es bleibt vor allem unklar, ob China von den Fehlern der europäischen Version gelernt hat.
"Die wesentlichen Details des chinesischen Systems sind noch nicht bekannt", sagt Kachi. "Es ist also noch zu früh um zu sagen, ob es erfolgreich sein wird."
Ein global verknüpftes System?
Trotz allen Ungewissheiten lässt das chinesische Handelssystem hoffen, dass es doch noch einen weltweiten CO2-Markt geben könnte. Hoffnungsvoll machen auch einige Staaten der USA, die trotz Donald Trumps Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen ihre eigenen zwei neuen Systeme auf regionaler Ebene ausbauen möchten.
Ist der Zusammenschluss der EU und der Schweiz also erst der Anfang? Eher nicht, meint Kachi. Der Schweizer Anschluss war ein logischer Schritt. Immerhin ist die Schweiz eine Insel inmitten des europäischen ETS. "Es ist definitiv ein Sonderfall", sagt er.
Das Schweizer Modell könnte aber Vorbild für andere Zusammenschlüsse sein - zum Beispiel im Falle eines britischen Handelssystems, sollte Großbritannien sich nach dem Brexit entscheiden, ein eigenes Emissionshandelssystem aufzubauen.
Alleinstehende Märkte die bessere Option
Brauchen wir überhaupt einen globalen CO2-Markt? Viele Analysten argumentieren, dass das europäische ETS nicht unbedingt mit anderen Systemen verknüpft werden müsse. Es sei vielleicht sogar besser dran als alleinstehender Markt.
Jessica Green, die zu Umweltthemen an der New York University forscht, ist gegen solche Verknüpfungen. Ihrer Meinung nach würde ein globales Emissionshandelssystem nur komplexer werden und zu weniger Emissionsminderungen führen. "Versuche, Handelssysteme in Europa und in Kalifornien und Quebec zu verbinden, haben zu Preisstürzen geführt. Die Märkte wurden nicht stabilisiert, sondern eher anfälliger für Schwankungen gemacht", schrieb sie in einem Artikel Anfang des Jahres.
Die EU möchte erst den Start des chinesischen Systems abwarten, bevor es an mögliche Verknüpfungen denkt. Der Traum eines globalen CO2-Markts lebt – noch.