Kongolesen fürchten unbekannten Feind
9. Dezember 2014Seit Monaten kehrt keine Ruhe ein im nordostkongolesischen Bezirk Beni. Immer neue Massaker erschüttern den Bezirk in der krisengeschüttelten Provinz Nordkivu. Zuletzt kamen 50 Menschen ums Leben, als Unbekannte mit Macheten am Wochenende und zu Beginn der Woche mehrere Dörfer nordöstlich der Stadt Beni angriffen. Anwohner berichten über das kaltblütige Vorgehen der Angreifer - etwa in dem Dorf Ahili, das Unbekannte am Samstagabend (06.12.2015) überfallen hatten. "Sie setzten das Dorf in Flammen", beschreibt ein Augenzeuge, der seinen Namen nicht nennen möchte, die Verwüstung dort im Gespräch mit der DW. Einige der Leichen seien verkohlt. Er berichtete, dass nun auch die Bewohner der Nachbardörfer auf der Flucht seien: "Sie fürchten, dass sie vielleicht morgen an der Reihe sein können. Auch ich weiß nicht, ob ich morgen noch leben werde."
Ein Bündnis zivilgesellschaftlicher Organisationen in Nordkivu zeigte sich über die Angriffe schockiert und rief am Sonntag zwei Tage der Trauer aus. Erklärtes Ziel des Netzwerks war es auch, die internationale Gemeinschaft auf den "tödlichen Krieg und den Terrorismus" aufmerksam zu machen. Die UN-Mission im Kongo MONUSCO forderte es auf, gemeinsam mit der kongolesischen Armee eine erneute Militäroperation gegen die Rebellen durchzuführen.
Unter Verdacht: ugandische Rebellen
Die Angriffe stehen in einer Reihe von Überfällen, die seit Oktober den Bezirk Beni erschüttern. Dabei sind nach Angaben der Zivilgesellschaft inzwischen mehr als 250 Menschen getötet worden. Ungeklärt ist bisher, wer die Angreifer sind. Doch viele vermuten hinter ihnen die muslimische Rebellengruppe ADF-NALU (Vereinte Demokratische Kräfte - Nationale Armee zur Befreiung Ugandas) und deren Verbündete. Die Rebellen, die Ugandas Präsident Yoweri Museveni den Kampf erklärt haben, hatten sich 1995 in den Ostkongo zurückgezogen. Experten vermuten, dass sie inzwischen mit islamistischen Terrororganisationen wie der somalischen Al-Shabaab-Miliz zusammenarbeiten.
Martin Kobler, Chef der UN-Mission MONUSCO, verurteilte die jüngsten Angriffe "aufs Schärfste", deren Ziel es sei, "ein Klima des Terrors in der Region zu erhalten". Er sprach sich dafür aus, dass die MONUSCO erneut gemeinsam mit der kongolesischen Armee gegen die Rebellen vorgehen solle. Die MONUSCO hatte bereits Anfang des Jahres gezielte Militärschläge gegen die ADF-NALU durchgeführt. Im März hatte sie sie daraufhin für besiegt erklärt - eine Einschätzung, die nach der Gewaltserie der letzten Monate kaum mehr haltbar ist. Das gestand Kobler in einem DW-Interview bereits Ende Oktober ein: "Zwar wurde die ADF-NALU isoliert, aber es gibt noch einzelne Splittergruppen - und jede einzelne kann Massaker verüben."
Kampf gegen einen Unbekannten
Dass der Feind nicht genau bekannt ist, macht ein militärisches Vorgehen indes schwieriger. So sagte der kongolesische Abgeordnete Claudel Lubaya kürzlich im französischen Programm der DW, zunächst müsse geklärt werden, ob die ADF-NALU noch als ugandische Rebellengruppe oder vielmehr als kongolesische Gruppe zu sehen sei: "Wenn es eine ugandische Gruppe ist, muss man sich fragen, warum sie nie den ugandischen Staat angreifen, sondern immer nur kongolesische Institutionen und besonders die kongolesische Bevölkerung."
Die Gemengelage im Ostkongo bleibt sehr unübersichtlich - auch nach anfänglichen Erfolgen gegen einige der schlagkräftigsten Rebellengruppen wie die M23. Neben den Überbleibseln der ADF-NALU gibt es nach wie vor eine Reihe anderer Milizen. Einige von ihnen haben ihre Wurzeln in den Nachbarländern. Daneben gibt es laut Kobler bis zu 50 kongolesische Rebellengruppen, die oft als Mai-Mai zusammengefasst werden. Für den katholischen Priester und Generalsekretär der katholischen Bischofskonferenz im Kongo Leonard Santedi ist daher überhaupt nicht klar, wer hinter den Angriffen steckt. "Die Situation ist zu komplex, um gleich auf ADF-NALU zu schließen. Wir brauchen fundierte Analysen", so Santedi gegenüber der DW. Er drängte die Regierung in Kinshasa, entsprechende Untersuchungen einzuleiten.
Doch der Dauerkonflikt im Ostkongo ist dort nur ein Thema neben anderen. In Kinshasa geht es vor allem um Posten: Präsident Joseph Kabila verkündete am Montag, er habe sein Kabinett neu zusammengestellt. Einzelne Ministerposten vergab er auch an die Opposition. Kabila wollte damit sein Versprechen vom vergangenen Jahr einlösen, eine Regierung der "nationalen Einheit" zu bilden. Die politischen Zugeständnisse kommen in einer Zeit, in der sich der Staatschef mit dem Gedanken trägt, die Verfassung zu ändern, um 2016 ein drittes Mal kandidieren zu können.