1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Roboter retten Menschenleben

Simone Schlindwein22. Juni 2014

Die Demokratische Republik Kongo ist etwa so groß wie Westeuropa, verkehrstechnisch aber fast unerschlossen. Staus und Chaos gehören hier dazu. Doch jetzt regulieren intelligente Roboter in Kinshasa den Verkehr.

https://p.dw.com/p/1CJy0
Verkehrsroboter statt Fußgängerampel (Foto: S. Schlindwein/DW)
Bild: Simone Schlindwein

Kinshasa, die Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo: ein Moloch, in welchem knapp 15 Millionen Einwohner leben. Hier herrschte stets Verkehrschaos. In den vergangenen Jahren hat sich Kinshasa gewaltig entwickelt: Die Hauptverkehrsstraßen wurden geteert und ausgebaut. Doch seitdem die Autos sich nicht mehr durch Schlaglöcher kämpfen müssen, fahren sie schneller.

Die 17-jährige Chery Makamba steht mit ihrem Schulranzen am Straßenrand des Boulevards Lumumba, der achtspurig wie eine Autobahn vom Zentrum zum Flughafen führt. Wenn nicht gerade Stau herrscht, rasen die Autos regelrecht vorbei. Doch gerade an diesem Boulevard liegen zahlreiche Schulen. Es war bislang ein riskantes Manöver für die Schüler, die gegenüberliegende Seite zu erreichen, wo die Bushaltestelle liegt.

Doch jetzt überragt ein gigantischer Roboter am Straßenrand die Kinderköpfe. Er piepst und blinkt und schaltet eine Ampel an seinem Kopf von Grün auf Rot, damit der Verkehr stoppt. Chery ist von dem Verkehrsroboter begeistert: "Wenn der Roboter die Ampel für den Verkehr auf Rot schaltet, dann können wir Fußgänger die Straße überqueren", sagt sie.

Polzist in Kinshasa regelt den Verkehr (Foto: S. Schlindwein/DW)
Die Diagnose ist klar: Kinshasa hat ein VerkehrsproblemBild: Simone Schlindwein

Der Roboter spreche sogar, wenn man ihn anfasst, erzählt Chery: "Dann sagt er 'Fass mich nicht an'. Vorher hat er auch den Fußgängern Anweisungen gegeben. Das macht er jetzt nicht mehr. Aber er hilft uns sehr." Bevor der Roboter installiert wurde, habe es zwar eine Ampel gegeben, aber die funktionierte nicht sehr oft. Der Roboter hingegen funktioniere sehr gut, sagt Chery, "und es gibt jetzt nicht mehr so viele Unfälle wie früher."

Die Entwicklerin: Frau und Mutter

Fast 500 tödliche Unfälle wurden an dieser Schnellstraße im vergangenen Jahr gezählt. Die meisten Opfer waren Fußgänger, die den Boulevard überqueren wollten. Viele waren Schüler wie Chery. Das hat Therese Kirongozi aufgeschreckt. Die 40-jährige Mutter von drei Kindern, die ebenfalls dort zur Schule gehen, ist die Vorsitzende des Verbandes der Frauen in Technologieberufen. Die Ingenieurin hatte eine Idee: einen Roboter zu entwickeln, der die Kinder sicher über die Straße lotst.

Sie hat bislang zwei Roboter-Typen entworfen: einer hilft den Fußgängern über die Straße, reguliert den Verkehr wie eine Fußgängerampel. Der andere ist an einer Kreuzung installiert, um den Straßenverkehr zu regulieren. Mit einer Kamera registriert er alles, was rund um ihn herum passiert, nachts sogar mit Infrarot. Er speichert alle Daten in einem Kontrollzentrum: "Diese Daten kann der Staat benutzen, um den Verkehr zu sichern. Man kann Unfälle aufzeichnen und die Schuldigen finden und so weiter", erklärt Kirongozi.

Roboter Entwicklerin Therese Kirongozi (Foto: S. Schlindwein/DW)
Sie hat die Lösung: Entwicklerin Therese KirongoziBild: Simone Schlindwein

Nur 74 Ampeln im ganzen Land

Kongos Straßennetz ist extrem vernachlässigt. Nach 20 Jahren Bürgerkrieg hat die Regierung erst in den vergangenen Jahren begonnen, die Verkehrswege auszubauen und Straßen zu teeren, vor allem in der Hauptstadt Kinshasa, die berühmt war für ihre Staus. Doch in Verkehrssicherheit wurde wenig investiert. Es gibt gerade einmal 74 Ampeln im ganzen Land - auf einer Fläche so groß wie Westeuropa. Und diese Ampeln funktionieren oftmals nicht, weil der Strom ausfällt.

Die Roboter laufen über Solarzellen. Ingenieurin Kirongozi hat noch weitere Ideen, die sie in ihren neuen Prototyp integrieren möchte. Doch erst hofft sie auf den Staat, ihr die Roboter abzukaufen. Bislang hat sie die Entwicklung selbst finanziert, hat jetzt ein Unternehmen gegründet und versucht, die Roboter auch in den Nachbarländern einzuführen.

Verkehrsroboter an Ampelkreuzung in Kinshasa (Foto: S. Schlindwein/DW)
Er piepst und blinkt und schaltet und redet: Der Verkehrsroboter ist mehr als nur eine AmpelBild: Simone Schlindwein

Kongos Behörde für Verkehrsregulierung ist von den Robotern begeistert, sagt der Direktor Willy Vale-Manga, denn es gebe rund 150.000 Kilometer Straße im Land, von denen die meisten modernisiert worden seien. "Das heißt aber auch, dass wir moderne Verkehrssysteme für die Sicherheit brauchen. Wir sind dafür Partnerschaften mit Privatunternehmen eingegangen sowie mit dem öffentlichen Sektor. Das hat geholfen", sagt Vale-Manga.

Die Behörde habe jetzt 10.000 Verkehrsschilder und 60.000 Fahrbahnmarkierungen, 74 Ampeln aufgestellt. Das sei ein großer Fortschritt, so Vale-Manga. "Wir haben der Firma für den Roboter jetzt ein Patent vergeben - für die Zeit nach der Experimentierphase. Denn der Roboter ist mehr als nur eine Ampel: Er registriert die Geschwindigkeit der Autos und meldet sogar Feuer, falls es brennt - das alles ist in diesem intelligenten Roboter integriert."

Die Roboter auf Kinshasas Straßen sind mittlerweile zur Attraktion geworden. Die Kongolesen sind stolz auf so viel Erfindergeist. Ingenieurin Kirongozi ist zur Heldin geworden. Sie hat Initiative gezeigt, der Gesellschaft zu helfen. Und ihre Roboter sollen bald auch in anderen Großstädten des Landes stehen.